Ehrenamt |05.09.2018|14:15

Club 100: Ehrung für den „Hector-Entdecker“

Jonas Hector (l.) und sein Entdecker Klaus Thiel haben gemeinsame Wurzeln beim SV Auersmacher. [Foto: privat]

Der DFB zeichnet morgen in München 100 Ehrenamtliche aus ganz Deutschland aus. Der „Club 100“ öffnet die Tore im Teatro Schuhbeck. Einer der eingeladenen 100 entdeckte einen Nationalspieler, der dem Verein heute noch hilft.

Geld ist nicht schlecht. Lob tuts für manche auch, einen anderen motiviert Anerkennung sogar noch mehr als Mammon oder Tand. 400.000 Menschen engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich für den Fußball, und viele werden durch einen Traum von Größe angetrieben. Aufsteigen, und dann als Liganeuling Meister werden, das wäre schon was. Verbreitet ist auch der Traum von dem einen großen Talent, das plötzlich dasteht, im Verein reift und irgendwann - sagen wir doch im EM-Viertelfinale - für Deutschland das alles entscheidende Tor schießt. Für Klaus Thiel ist dieser Traum Wirklichkeit geworden.

Vor mehr als zwanzig Jahren trainierte der heute 55-jährige Saarländer die E-Junioren des SV Auersmacher und eines mittags stand Jonas Hector bei Thiel auf dem Platz. Schmächtig, schlau und technisch stark. Heute ist Hector Nationalspieler und Thiel Präsident des Dorfvereins. Die Jugendabteilung des 530 Mitglieder starken Vereins in der 2500-Einwohner-Gemeinde südlich von Saarbrücken boomt. Thiel sagt: „Alle wollen für den Verein spielen, für den auch der normalgebliebene Jonas Hector gespielt hat.“

Thiel: „Jonas ist Mensch geblieben"

"Ich schaute zu Erhard rüber, der war kreidebleich, ich dachte, gleich fällt er um. Jonas hat nie gerne Elfmeter geschossen"

Seit 2015 ist Thiel Präsident des Mehrspartenvereins, seitdem er fünf Jahre alt war, trug er das grün-weiße Trikot. Am Donnerstag zeichnet ihn der DFB in München aus. Klaus Thiel ist wie 99 andere Ehrenamtliche aus ganz Deutschland ins Teatro Schubeck eingeladen. Abends besucht er mit seiner Frau in der Allianz-Arena den Nations-League-Auftakt gegen Weltmeister Frankreich. Das ganze Paket inklusive Unterkunft sowie An- und Abreise übernimmt der DFB. Das Dankeschön an jährlich 100 Ehrenamtler ist der symbolische Dank an alle, die sich im Fußball in Deutschland engagiern . Thiel weiß, wem er seine Auszeichnung am Donnerstag mit zu verdanken hat.

„Jonas ist der Grund, warum wir so einen starken Zulauf im Jugendbereich haben. Nicht nur, weil er Bundesliga- und Nationalspieler wurde, sondern auch weil er trotz dieses großen Erfolgs nie abgehoben hat“, sagt Klaus Thiel. „Jonas ist bodenständig und ein Mensch geblieben. Das strahlt auf unseren Verein ab.“ Als 19-jähriger lehnte Hector ein Angebot des VfL Bochum ab und entschied sich, statt als Profi in der 2. Bundesliga noch eine Saison für seinen SV Auersmacher in der Oberliga aufzulaufen. 2010 dann wechselte er zum 1. FC Köln. Mit 24 Jahren nominierte ihn der Bundestrainer, ohne dass er je ein Leistungszentrum besucht oder ein Junioren-Länderspiel bestritten hätte. Als Köln nun in die 2. Bundesliga abstieg, bewies er wieder einmal Vereinstreue. Das Magazin „11Freunde“ zeichnete Naldo aus als „Spieler der Saison“ und Leverkusens Leon Bailey als den besten Newcomer der Saison 2017/18. Jonas Hector aber war für die Jury ganz klar der „Typ der Saison“.

Hector verwandelt gegen Buffon

Thiel erzählt vom Sommer 2016. Mit seiner Frau hatte er Jonas' Vater Erhard Hector nach Bordeaux begleitet. EM-Viertelfinale, der ewige Angstgegner Italien wartete. Erinnerungen an Dortmund 2006 und Warschau 2012. Es kommt zum Elfmeterschießen, das längste in der EM-Geschichte. Hector ist bereits der neunte deutsche Schütze. Thiel erinnert sich: „Ich schaute zu Erhard rüber, der war kreidebleich, ich dachte, gleich fällt er um. Jonas hat nie gerne Elfmeter geschossen.“ Dann grenzenloser Jubel. Unter Buffons rechtem Ellenbogen hindurch rutschte der Ball ins italienische Tor. Hector hatte Deutschland ins EM-Halbfinale geschossen. 

Jonas Hectors bisheriger Karrierehöhepunkt. Angefangen hatte alles Ende der Neunzigerjahre. Klaus Thiel berichtet: „In der E-Jugend sind ja immer zwei Jahrgänge zusammengefasst, aber trotz der Tatsache, dass er zu dem jüngeren Jahrgang zählte, war er dominant. Als 90-er Jahrgang konnte er absolut mit den 89-ern mithalten.“ Seine Mutter leitete die Turngruppe des Vereins und nahm den kleinen Jonas immer mit. Das habe ihm auch beim Fußball geholfen. Thiel ist überzeugt: „Der kann heute noch den Handstand-Überschlag und den Salto.“ In der Meistersaison 2008/2009 spielte er sowohl für die A-Junioren wie für die 1. Mannschaft. Man stieg auf in die Oberliga, die fünfthöchste Klasse Deutschlands, und Hector lehnte ein Angebot aus der 2. Bundesliga ab.

Besuch beim Bruder

„Wahnsinn, wie alles läuft“, sagt Thiel, „wir sind top aufgestellt.“ Eine halbe Million Euro kostete zuletzt der neue Kunstrasen, nachdem man 45 Jahre lang auf einer Tenne und einem Naturrasen gespielt hatte. Geld durch das „Toto-Achtel“ und 150.000 Euro vom größten Sponsor ermöglichten den Bau des Kunstrasens, schon in zwei Jahren will man das letzte laufende Darlehen abbezahlt haben. Auch bei der Gewinnung ehrenamtlicher Unterstützung gelingt viel. Thiel erklärt: „Man muss mit den Leuten reden, auf jeden zugehen, und nicht nur eine Nachricht in eine WhatsApp-Gruppe schicken. Danke sagen ist auch sehr wichtig.“

Bis heute schaut Hector gelegentlich bei den Heimspielen vorbei. Sein Bruder Lucas steht im Sturm der ersten Mannschaft. Thiel: „Wenn man Jonas sieht, mitten unter seinen Kumpels, das sind so 15 Leute, da fällt er überhaupt nicht auf. Viele Leute sprechen ihn an, und er geht an keinem vorbei.“

Der Großvater von Klaus Thiels Frau und der Urgroßvater von Jonas Hectors waren Brüder. Ihr Mann hat den künftigen deutschen Nationalspieler bei den E-Junioren trainiert. Auch deshalb wird sie am Donnerstag in der Allianz-Arena sein Trikot tragen, auch wenn wer am Montagmorgen nach einem Gespräch mit Joachim Löw für die Spiele gegen Frankreich und Peru absagen musste. Man fühlt sich verbunden, daran ändert sein Fehlen am Donnerstag nichts. Und Klaus Thiel weiß, warum beim SV Auersmacher alles läuft. Zum Abschluss des Gesprächs über den Nationalspieler und das Ehrenamt sagt Klaus Thiel: „Eine gewisse Leistung gehört natürlich auch dazu.“

Und die wird der DFB am Donnerstag auszeichnen.

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