Die sportlichen Schlagzeilen im Hause Asamoah diktierte stets der Bruder. Bis zum Januar 2015. Da tauchte im Netz ein Video auf, das schnell die Runde machte. Lewis Asamoah tanzte beim Kick in der Halle erst seinen Gegner aus, dann schoss er den Ball mit der Hacke ins Tor. Der Clip zeigte die Widersprüchlichkeit auf, in der sich der jüngere Asamoah bewegt. Lewis schießt Tore, die sein älterer Bruder so technisch anspruchsvoll wohl nicht hinbekommen hätte. Allerdings in der Kreisliga, während es Gerald in die Bundesliga und die Nationalmannschaft schaffte. „Ich wollte niemals in der Kreisliga landen“, sagt der 30 Jahre alte Lewis. „Aber es kamen viele Dinge zusammen.“
Lewis ist der einzige in Deutschland geborene Sohn der Asamoahs. Als Gerald, der im Alter von zwölf Jahren aus Ghana nach Hannover kam, auch in Deutschland Fußballspielen wollte, folgte ihm der kleine Bruder. „Was er gemacht hat, wollte ich auch“, erinnert sich Lewis. Mit sieben Jahren begann auch er, im Verein zu kicken. Schnell wurde ihm klar: „Mein Bruder war ehrgeiziger als ich.“ Während Gerald für Hannover 96 in der Bundesliga auflief, träumte auch der sechs Jahre jüngere Lewis von einer Karriere als Profi: „Das war mein Ziel. Aber ich war der Jüngere, ich hatte schon alles, musste nicht mehr für alles kämpfen.“ Für Arminia Hannover lief Lewis in der Oberliga Niedersachsen auf, dann folgte er seinem Bruder nach dessen Wechsel zu Schalke 04 ins Ruhrgebiet.
„Lewis hat eine Menge Potenzial, viel Talent. Das große Problem ist, dass er einfach nicht den unbedingten Willen hat. Ich bin wahrscheinlich nur da, wo ich jetzt bin, weil ich einen unbändigen Ehrgeiz habe“, sagte Gerald Asamoah im Interview mit RevierSport . Lewis dagegen biss sich nicht durch. „Das Talent hatte ich immer. Aber mein Kopf war kaputt“, sagt Asamoah heute. Nach seinem Wechsel in die Landesliga zum 1. FC Wülfrath hörte der Stürmer sogar ganz auf mit dem Fußball. „Ich wollte etwas anderes machen. Etwas mit Mode, das ist mein Ding. Aber ohne Fußball geht es auch nicht.“
Mit der "Söldnertruppe" in die Kreisliga
"Das Talent hatte ich immer. Aber mein Kopf war kaputt"
Also kehrte er zwei Jahre später zurück in die alte Heimat, zum Heesseler SV in die Landesliga, dann schloss er sich dem Bezirksligisten Niedersachsen Döhren an und landete schließlich beim Ligakonkurrenten TV Badenstedt. „Ich wollte spielen und Geld verdienen. Mal dachte ich, ich schaffe es noch in den Profifußball, dann habe ich wieder gedacht, das wird nichts mehr“, erinnert sich Lewis. Und schließlich traf er die fatale Entscheidung, die ihn in die Niederungen des Amateurfußballs führte.
Die in der Lokalpresse fortan als „Söldnertruppe“ verschriene Badenstedter Mannschaft lief während der Saison 2012/2013 geschlossen zu den Sportfreunden Ricklingen über. Mit - wie Lewis heute weiß, falschen - Versprechungen wurde die Bezirksligatruppe in die Kreisliga gelockt. „Da wollte ich niemals landen“, sagt Asamoah. Aber seitdem hängt der wuchtige Angreifer dort fest. Über die Station Kreisklasse mit Stern Misburg landete er beim TuS Harenberg in der Kreisliga Hannover-Land. Der Trainer dort hatte ihm eine Stelle als Techniker im Volkswagenwerk vermittelt.
In Harenberg schwärmen sie vom jüngeren Asamoah. „Lewis ist echt 'ne Bombe“, sagt Teammanager Bernd Biank. „Wir sind sehr zufrieden mit ihm. Auch menschlich passt er richtig gut hierher. Es macht Spaß mit ihm.“ Aber weder der Job noch die Liga machen Asamoah glücklich. Die Stelle bei VW hat er mittlerweile aufgegeben. Und Harenberg will er auch so schnell wie möglich verlassen. „Irgendwann passt man sich der Liga an“, befürchtet Asamoah. „Ich will zurück in die Landes- oder Oberliga.“ In Harenberg wissen sie, dass sie Asamoah nicht werden halten können. „Er hat ein tolles Angebot vorliegen, wir zahlen unseren Sportlern ja kein Geld“, sagt Teammanager Biank.
Erst zwei Tore, dann Hand gebrochen
Ende März erzielte Asamoah beim Spiel gegen Eintracht Hiddestorf erst zwei Tore für Harenberg, dann brach er sich die linke Hand. „Ich habe noch zu Ende gespielt. Als die Schmerzen auch zwei Tage nach dem Spiel nicht weg waren, bin ich zum Arzt gegangen“, erzählt Lewis. Diagnose Mittelhandbruch. Operation. Die Saison ist gelaufen für ihn. Zu seinen 13 Treffern in dieser Spielzeit wird keiner mehr hinzukommen.
Vier Jahre lang will Asamoah noch Fußball spielen. Derzeit überlegt er, sich mit einem Modegeschäft selbständig zu machen. Dass er es nicht mehr in den Profifußball schaffen wird, lastet er nur sich selbst an: „Das lag an mir. Ich hätte etwas dafür tun können. Aber irgendwann ist es zu spät.“ Aber er richtet sich am Erfolg des großen Bruders auf, der noch bis zum Sommer seine Karriere in der zweiten Schalker Mannschaft in der Regionalliga ausklingen lässt. „Wenigstens einer von uns hat es geschafft. Die ganze Familie ist stolz auf ihn“, sagt Lewis. Ihm überlässt er künftig gerne wieder die Schlagzeilen. Es sei denn, er zaubert noch einmal in der Halle und bringt es zu Ruhm im Internet. Und sei es in der Kreisliga.
Alle Folgen der Serie:
Wörns, Ziege, Lehmann: Drei Söhne suchen ihren Weg
Florian Rudy: Großer Bruder sucht neue Heimat
Patrick Draxler: Aus Neid ist längst Stolz geworden
Schiri Marcel: Schalke hat doch einen Neuer
Köppel und Wohlers mischen die Kreisliga auf
Autor/-in: Arne Leyenberg