Die Spieler des Osnabrücker Nachwuchsleistungszentrum sind neu sensibilisiert. Etwa dadurch, dass unser aller Bewusstsein, wie es sich auch in unserer Alltagssprache ausdrückt, Satzbrocken wie "immer diese Türken" mit erschreckender Beiläufigkeit beinhaltet. Vielfach wird das als "normal" hingenommen.
Die 32-jährige Sportpsychologin Kathrin Seufert wirkt im NLZ des VfL Osnabrück . Zuletzt hat sie 64 Spieler des Zweitligaklubs zu einer Schulung über Rassismus und Diskriminierung eingeladen. Sätze wie die pauschalierte Abwertung von Menschen türkischer Herkunft waren Beispiele, die verdeutlichen sollten, wie schnell man sich, meist auch unbewusst, im Bereich rassistischer Äußerungen bewegt.
Seufert berichtet: "Wir möchten das Bewusstsein unserer Jungs dafür schärfen und verdeutlichen, dass man so etwas nicht hinnehmen muss und aktiv gegen solche Verurteilungen stehen sollte. Wir als VfL Osnabrück kommunizieren daher klar, dass die Werte unseres Vereins mit rassistischen oder diskriminierenden Äußerungen nicht zusammenpassen. Bei uns im Nachwuchsleistungszentrum geht es nicht nur um die fußballerische Ausbildung, sondern auch die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung unserer Spieler. Dazu gehört dann natürlich auch die Auseinandersetzung mit Themen wie Rassismus und Anti-Diskriminierung."
Der VfL Osnabrück, der aktuell den 12. Platz in der 2. Bundesliga belegt, betreibt ein Nachwuchsleistungszentrum für etwa 170 junge Spieler im Alter von 10 bis 19 Jahren (U 11 bis U 19). Für diese Online-Schulung waren 64 Talente eingeladen, exklusiv der Leistungsbereich.
"Wichtig ist, dass sie lernen, gemeinsam gegen Rassismus und Diskriminierung einzustehen"
Die Schulung war alles andere als eine Pflichtveranstaltung. Kathrin Seufert und der Verein verfolgen klare Ziele. "Inhaltlich haben wir unseren jungen Spielern aufgezeigt, dass rassistische Anfeindungen unter Umständen auch strafrechtlich verfolgt werden können. Viel wichtiger ist uns aber, dass sie lernen, gemeinsam gegen Rassismus einzustehen und sich gegenseitig bei Vorfällen zu unterstützen und Ansprechpartner zu kennen", sagt Seufert.
Die Osnabrücker Sportpsychologin gibt dem NLZ insgesamt eine gute Note: "Wir müssen sicher noch viele Bereiche angehen. Denn nicht nur im Fußball, sondern überall in unserer Gesellschaft, ist vor allem dieser unbewusste Alltagsrassismus, neben den grundsätzlichen Anfeindungen, präsent." Die Kooperation mit der Stadt Osnabrück sei hierbei ein guter Schritt, um weiter gemeinschaftlich zu arbeiten.
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Einmal im Jahr wird der Leistungsbereich aller Nachwuchsleistungszentren im deutschen Fußball in Sachen Rassismus und Diskriminierung geschult. Um für das Thema "höchstmögliche Expertise einzuholen", kooperierte Seufert in diesem Jahr mit der Anti-Diskriminierungsstelle der Stadt Osnabrück. Von 'überhaupt kein Problem' bis zu Schilderungen erlebter, rassistischer Anfeindungen - das Spektrum der Reaktionen sei breit gewesen, berichtet die 31-jährige Sozialwissenschaftlerin Heba Najdi von der 90-minütigen Schulung.
Auch der Fußball insgesamt bietet ein widersprüchliches Bild. Auf Basis der elektronischen Spielberichte der Schiedsrichter*innen ermittelt der DFB jährlich ein Lagebild. Bei rund 1,3 Millionen erfassten Spielen kam es zuletzt "nur" bei 0,21 Prozent zu einem Diskriminierungsvorfall. Und doch reißen die Vorfälle nicht ab. In jüngster Vergangenheit kam es in Deutschlands Topligen immer mal wieder zu rassistischen Vorfällen - seien es Schmähungen gegen Jordan Torunarigha, Leroy Kwadwo und Youssoufa Moukoko oder zuletzt der Angriff gegen Leverkusens Nadiem Amiri.
"Direkt reagieren"
Najdi leitet seit 2018 die Anti-Diskriminierungsstelle (ADS) der 165.000-Einwohner Stadt in Niedersachsen. Es sei das feste Ziel der Stadt, Diskriminierung in Osnabrück abzumindern, realistisch sei wohl aber eher, "dass wir eine Anlaufstelle sind, in der sich auch Einzelne melden und mal Frust abbauen können." Die meisten eingehenden Fälle bezögen sich auf die Merkmale ethnische Herkunft und Behinderung. Sobald die ADS in den Medien auftaucht, meldeten sich auch mehr Menschen. Für Najdi ein Beleg, dass Diskriminierung und Rassismus auch in Osnabrück vorkommen.
Das Wichtigste sei es, berichtet Najdi aus ihrer Arbeit, "immer direkt zu reagieren, wenn etwas passiert ist." Und wenn es etwa in einer Fußball-Mannschaft zu einer rassistischen Anfeindung gekommen ist und einfach nichts passiert? Wenn weder Trainer*in oder Vorstand klar und deutlich reagieren? "Dann wird so ein Verhalten normal – und das darf es niemals sein!"
Autor/-in: Thomas Hackbarth