Nach der Schule wollte Larissa Duffe einfach mal raus. Etwas von der Welt sehen. Also suchte sich die 19-jährige Spielerin von der Warendorfer SU über den DFB ein Projekt in Namibia, bei dem sie für mehrere Monate Mädchen und Frauen dazu ermutigt Fußball zu spielen und ihnen dadurch Selbstvertrauen und Wissen für das weitere Leben vermittelt. Auf FUSSBALL.DE berichtet Larissa von ihren Erlebnissen in Afrika.
Hi, das geht an alle, die Fußball und Abenteuer lieben!
Ich bin Larissa Duffe, 19 Jahre alt und spiele zur Zeit bei der Warendorfer SU in der Regionalliga West .
Vor fast genau einem Monat habe ich mich ins Flugzeug gesetzt und mich auf eine Reise in ein fernes Land begeben, mit riesengroßer Vorfreude auf das was mich dort erwarten würde. Mein Ziel: Namibia. Ich wollte nach meiner Schulzeit etwas völlig Neues erleben. Da ich aber nicht lange ohne Fußball kann, habe ich mir ein besonderes Ziel ausgesucht. Ich wollte zum namibischen Fußballverband und mir ansehen, wie dort gearbeitet wird. Ich spiele mittlerweile seit 14 Jahren Fußball und durfte die Auswahlmannschaften des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW) durchlaufen. Außerdem habe ich zwei Jahre auf dem Mädchenfußball-Internat in Kaiserau verbracht. Der FLVW pflegt eine enge Freundschaft zum namibischen Fußballverband und so kam es, dass ich einige Male gegen die namibische (U-)Nationalmannschaft spielen durfte. Ich fand es immer total interessant mich mit den namibischen Spielerinnen zu unterhalten und einen Teil ihrer Kultur kennenzulernen. Als ich dann nach der Schule angefangen habe meinen Auslandsaufenthalt zu planen, ist mir Namibia direkt in den Sinn gekommen. Ich hatte das Glück, Kontakte nutzen zu können, die ich noch aus der Zeit in Kaiserau habe. Kathrin Peter, meiner Verbandslehrerin hat mich an den DFB weitergeleitet. Dort habe ich mich kurz vorgestellt, mein Anliegen vorgebracht und meinen Wunsch geäußert, dass ich gerne einen Einblick in das Fußballleben in Namibia hätte. Der DFB wiederum hat mich dann mit den Verantwortlichen in Namibia verbunden, mit denen ich meinen Aufenthalt organisiert habe.
"Sobald hier ein Ball über das Feld rollt sieht man nur noch leuchtende Augen!"
Ich lebe hier mit ca. 15 anderen Mädchen im "NFA Girls Centre". Das ist im Großen und Ganzen mit dem Mädchenfußball-Internat in Kaiserau zu vergleichen. Mädchen im Alter zwischen 14 und 20 Jahren leben hier, gehen zur Schule und haben die Möglichkeit professionelles Training zu bekommen. Außerdem gibt es zusätzliche Präventionsmaßnahmen zu Problemthemen wie Alkohol, Drogen und HIV. Der Großteil der Spielerinnen ist außerdem Part der namibischen (U-)Nationalmannschaften. Im März 2016 wurde das NFA Girls Centre eröffnet, es ist also noch gar nicht lange in Betrieb. Dieser Ort wurde geschaffen, um den Mädchen ein sicheres Umfeld zu bieten, damit sie sich individuell, fußballerisch aber auch persönlich weiterentwickeln können. Unterstützt wird das Entwicklungsprojekt neben DFB und FLVW von vielen Partnern wie FIFA, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Unicef, um nur einige zu nennen.
Ich bin hier um das "Galz & Goals" Programm zu unterstützen. Dieses Programm ermutigt junge Mädchen Fußball zu spielen und stärkt ihr Selbstbewusstsein, da hier in Namibia Frauen und Mädchen leider oft Gewalt und Unterdrückung ausgesetzt sind. Außerdem erfahren die Mädchen Unterstützung auf dem Weg in ein gesundes und besseres Leben und werden für das Thema HIV sensibilisiert - bis heute ein riesiges Problem in der Region.
Zwei Mal in der Woche trainiere ich Schulmädchen aus der Region im Alter zwischen zehn und 15 Jahren. Ich muss zugeben, es ist gar nicht so leicht diesen jungen Mädchen die Grundlagen des Fußballs beizubringen, denn es fehlen oft die einfachsten Dinge - Schuhe zum Beispiel! Dennoch ist es total schön zu sehen, dass die Mädchen einfach Spaß haben an dem, was sie machen, ganz egal ob sie wie Ronaldo spielen können oder nicht. Hier merkt man wirklich wo der Fußball herkommt, nämlich von der Straße, gespielt mit ganz viel Spaß und Leidenschaft. Sobald hier ein Ball über das Feld rollt sieht man nur noch leuchtende Augen!
An zwei weiteren Tagen in der Woche bin ich ebenfalls auf dem Platz, um die Liga der Mädchen zu unterstützen. Ich helfe bei der Organisation und Koordination der Spiele und trage die Ergebnisse ein. Als ich das erste Mal bei der Liga dabei war, war ich doch sehr überrascht. Denn hier ist das System der Ligaspiele ein völlig anderes. Man kann es mit den Turnieren vergleichen, die bei uns in Deutschland gespielt werden. 27 Mannschaften werden an diesen Tagen zu den Ligaspielen erwartet, dementsprechend viele Spiele finden statt. Wie eigentlich nur auf Turnieren üblich, wird auf mehreren Feldern gleichzeitig gespielt und jeweils nur zweimal zehn Minuten. Leider erscheinen von den 27 Teams oft nur zwischen acht und zehn Teams, da es erhebliche Probleme mit Transportmöglichkeiten für die Spielerinnen gibt. Außerdem werden die meisten Mannschaften von Schulen gestellt, hier herrscht also auch keine Vereinskultur wie man sie von Zuhause kennt.
Am nächsten Tag bin ich dann ein paar Stunden im Büro beschäftigt, die Spiele einzutragen und die Tabelle zu aktualisieren. Das ist ehrlich gesagt eine ziemlich knifflige Angelegenheit, die schnell mal zu Verwirrungen führen kann, da auch hier das System sehr eigen ist. Das zu erklären würde viel zu lange dauern und vermutlich zu ebenfalls kollektiver Verwirrung führen, haha .
Testspiel mit der Nationalmannschaft
Ansonsten lebe ich so vor mich hin und lasse jeden neuen Tag auf mich zukommen. Leider bin ich was meine Freizeitaktivitäten angeht sehr eingeschränkt, da es für mich zu gefährlich wär, alleine das Gelände zu verlassen. Dennoch gab es einige Highlights die ich bisher erlebt habe. Die U 20-Nationalmannschaft hatte in letzter Zeit einige Lehrgänge um sich auf die Spiele gegen Südafrika vorzubereiten. Ich hatte das Glück, am Training teilnehmen zu dürfen sowie an einem Freundschaftsspiel gegen die A-Nationalmannschaft, die "brave Gladiators". Bei diesem Spiel war ich Teammitglied der brave Gladiators. Ich muss sagen, es war echt cool mit den Mädels zu spielen, vor allem wenn man sich mal vorstellt, dass es in Deutschland schier unmöglich wäre "mal eben" bei der Frauen-Nationalmannschaft mitzuspielen! Das System der Auswahlmannschaften scheint hier weniger strikt zu sein.
Ein anderes unvergessliches Erlebnis war das Rückspiel der U 20-Teams von Namibia und Südafrika im Rahmen der WM-Qualifikation für Frankreich. Das Spiel fand in Windhuk in einem relativ großen Stadion statt. Ich hatte tatsächlich die Möglichkeit, das Team über die ganze Zeit die ganze Zeit bis zum Spielbeginn zu begleiten. Besonders interessant war die Vorbereitung auf das Spiel in der Kabine. Nach 14 Jahren Fußball habe ich so einige Stunden in vielen verschiedenen Kabinen mit unterschiedlichen Mannschaften erlebt, aber noch nie so etwas. Es war total spannend mal Mäuschen zu spielen und sich die Rituale einer anderen Mannschaft – und dabei noch aus einem völlig anderen Kulturkreis – anzusehen. Denn ein jeder, der Fußball spielt weiß, dass die Motivationsreden oder Besprechungen in der Kabine vor dem Spiel im Zweifelsfalle sogar Spiele entscheiden können. Und was ich in der Kabine der namibischen Spielerinnen erleben durfte, war für europäische Verhältnisse einzigartig, würde ich behaupten.
Singen und tanzen in Kabine
Nachdem alle umgezogen waren, wurde ein großer Kreis in der Mitte der Kabine gebildet. Eine Spielerin hat ein Lied angestimmt, worauf alle anderen mitgezogen sind und am Ende die ganze Mannschaft gesungen und getanzt hat. Mega cool! Danach gab es dann noch die eine oder andere Anweisung zum Spiel und im Anschluss wurde mit allen, die zum Team gehören – Trainer, Betreuer, Arzt usw. – ein Kreis gebildet für das Gebet. Dazu muss ich sagen, dass die Menschen hier extrem religiös sind und Gott bzw. das Gebet zum Alltag gehört. Kurz vor Spielbeginn kamen die Schiedsrichter rein, um die Spielerpässe zu kontrollieren. Eine solche Passkontrolle war mir auch neu: jede einzelne Spielerin wurde nach vorne aufgerufen, musste sich ihr Trikot vor den Oberkörper halten und dann wurde ihr Gesicht mit dem auf ihrem Reisepass abgeglichen. Es gibt hier also keine Spielerpässe, so wie man sie aus Deutschland kennt, hierzulande werden offensichtlich die Reisepässe benutzt. Als dann jede Spielerin erfolgreich durch die Kontrolle gekommen ist, ging es durch den Spielertunnel rauf auf das Feld. Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich mich jetzt auf die Tribüne begeben muss, dass es sich schließlich um ein offizielles internationales Spiel handelte. Aber: ich durfte mich mit Trainern und Spielerinnen auf die Bank setzten!
So verfolgte ich das komplette Spiel von der Bank aus und hatte einen richtig guten Platz. Leider ging das Spiel 0:4 aus, Namibia musste mit einer Niederlage nach Hause fahren. Für mich persönlich war dieser Tag jedoch ein voller Erfolg, denn ich habe Erfahrungen machen dürfen, die ich im Leben nicht vergessen werde! Ein weiterer lehrreicher Tag ereignete sich im Safari Hotel in Windhuk. Dort fand ein Meeting statt, in dem Stärken, Möglichkeiten, Schwächen und Probleme des "Galz & Goals" Programms analysiert und besprochen wurden. Mir wurde so ein tieferer Einblick in dieses Programm gewährt und ein weiteres Mal wurde die Wichtigkeit dieses Programms zum Ausdruck gebracht. Es geht hier nicht nur um den Fußball. Es geht um die Gesundheit, Zukunft und Perspektiven vieler junger Mädchen in Namibia.
Sozialkunde in Halbzeitpause
Gestern fanden die U 17-Mädchen-National Championships statt. Zwölf Mannschaften aus allen Regionen Namibias haben an dem Turnier teilgenommen. Das ist ein bisschen wie bei uns der Länderpokal, denn es wurde auch für die Nationalmannschaft gesichtet sowie für das Elite Team der "Galz & Goals". Dieses Turnier wurde jedoch nicht nur dem Fußball gewidmet, sondern auch der Aufklärung zu Themen wie HIV, Schwangerschaft in der Jugend, sexuelle Belästigung und Unterdrückung, gesunde Ernährung, Krebsvorsorge, Sicherheit in sozialen Netzwerken usw. Während der Spielpausen mussten die einzelnen Mannschaften Stationen zu den Themen ablaufen und haben durch Spiel und Spaß viel dabei lernen können. Die Idee, den Mädchen auf diesem Wege solch wichtige Dinge und Grundlagen zu vermitteln und das Turnier als Plattform zu nutzen, fand ich klasse. Gerade in Namibia ist es extrem wichtig, die Jugend zu erreichen, und wie könnte man es besser anstellen als durch Sport?
Ich bin gespannt, was mich hier noch alles erwartet und denke, dass ich aus der Zeit hier in Namibia extrem viel mitnehmen werde. Ich bin dankbar, dass mir diese Monate ermöglicht wurden und kann jedem, der Lust hat mal etwas Neues zu erleben und ein bisschen Zeit hat, nur ans Herz legen, den Schritt zu wagen, mal über den Tellerrand hinauszuschauen, auch wenn es tausende von Kilometern von Zuhause weg ist. Es wird sich lohnen, versprochen!