Zwei Teams hat der Nordberliner SC im Spielbetrieb der Berliner Ü60. Eins in der Landes- und eins in der Bezirksliga. „Wir sind zu viele Spieler für eine Mannschaft und zu wenig für zwei“, sagt Axel Ueckerseifer. Und was bedeutet das für ihn? Was für eine Frage. „Ich spiele in beiden.“ Natürlich.
Im Jahr 1967 hatte er Hanna kennengelernt. Ziemlich zu Anfang hat Ueckerseifer sinngemäß gesagt: „Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich bin pünktlich und zuverlässig. Aber eines ist klar: Der Fußball wird unser Leben bestimmen.“ Seit 1970 sind sie verheiratet, haben zwei erwachsene Töchter.
"Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich bin pünktlich und zuverlässig. Aber eines ist klar: Der Fußball wird unser Leben bestimmen"
Axel Ueckerseifer ist 70 Jahre alt. Mehr als 60 davon ist er Mitglied in einem Verein. Das Eintrittsdatum kennt er noch genau: 1. Dezember 1954, bei der Spielvereinigung Athen aus dem Berliner Bezirk Wedding. Wenige Monate, nachdem er den deutschen Sieg im WM-Finale vor einem Elektrogeschäft durchs Schaufenster verfolgt hatte.
Die Spielvereinigung gibt es schon lange nicht mehr, einer der Nach-Nachfolger ist der WFC Corso/Vineta. Jahrzehnte war Ueckerseifer für Rapide Wedding am Ball, unter anderem in der West-Berliner Vertragsliga, die höchste Spielklasse vor Einführung der Bundesliga. Andere Berliner Vereine fragten an, doch Ueckerseifer sagte ab. Auch Rapide gibt es nicht mehr, heißt seit einer Fusion SV Nord Wedding .
Kneipenliga mit dem FC Kaputt
Vereinsnamen ändern sich, der Verein hat sich für ihn ebenfalls geändert. Ueckerseifer wohnt seit langem im Norden Berlins, der Weg in den Wedding war irgendwann zu weit. Er spielte bei Concordia Wittenau , nun beim Nordberliner SC. Aber eines ist geblieben: Ueckerseifer lebt für den Fußball. „Man muss ja irgendwas machen“, sagt er und lacht. Zeitweise hat er in drei Mannschaften gleichzeitig gekickt– Liga, Kneipenliga in einer Truppe mit dem schönen Namen FC Kaputt und Betriebssport. „Es gab Zeiten, in denen ich nicht so oft zu Hause war“, sagt Ueckerseifer. In den höheren Altersklassen ist er mehrmals Berliner Pokalsieger geworden. Ueckerseifer hat mittlerweile eine künstliche Hüfte und ein künstliches Kniegelenk, „ich kann mich nicht mehr richtig drehen auf dem Platz.“ Und in Sachen Schnelligkeit hat er auch so seine Probleme. Aber was solls? „Die Gegner können ruhig weglaufen, nur den Ball will ich vorher haben.“
Stellungsspiel und Auge, das sind Dinge, die man nicht verlernt, wenn man sie mal hatte. Und Ueckerseifer hatte sie. Heute auf dem Kleinfeld mit nur sieben Mann spielt er meist hinten, denn: „Wir fangen mit einem Stürmer an. Ein paar Minuten später haben wir plötzlich vier, da muss ja einer hinten aufpassen.“
2008 war er bei einem Spiel zwischen deutschen und englischen Fans dabei. Selbst der 2013 verstorbene frühere Torwart Bernd Trautmann war beeindruckt von dem älteren Herrn, der inmitten der deutlich Jüngeren eine hervorragende Figur abgab.
Die Fitness kommt beziehungsweise bleibt nicht von allein. Je einmal die Woche geht der Rentner, der früher bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) gearbeitet hat, schwimmen und spielt Tischtennis, zweimal spielt er Fußball. Und zwar „so lange es irgendwie geht“.
Im Mai 2014 ging es fast nicht mehr. Ueckerseifer erlitt während eines Spiels einen Herzinfarkt. Ein Mitspieler, von Beruf Kardiologe, leitete sofort die nötigen Maßnahmen ein. Ueckerseifer kam ins Krankenhaus und wurde umgehend operiert. Er bekam vier Bypässe. Die ersten Wochen danach waren für ihn, der Zeit seines Lebens aktiv war und sich als „harten Hund“ bezeichnet, schlimm: „Langsam laufen und dabei sprechen, das ging nicht. Ich musste ganz von vorn anfangen.“
Das tat er. Schließlich wollte er eine Reise antreten, nur ein paar Wochen später. Nicht gemütlich übers Wochenende in den Spreewald, sondern nach Brasilien zur WM. Er war seit 1970 bei allen Weltmeisterschaften. Ein Kumpel hatte ihn damals gefragt, ob er nicht nach Mexiko mitkommen wolle. Brasilien war nun sein zwölftes Turnier. „Diesmal war es eigentlich zu extrem“, sagt Ueckerseifer rückblickend. Vor allem das viele Herumreisen zu den Spielen. Aber er hat es durchgehalten, ein harter Hund eben. Und es hat sich mehr als gelohnt angesichts des WM-Titels der deutschen Mannschaft.
Immer mit dabei in Brasilien war sein Freund Helmut Hübner aus Güstrow , wie Ueckerseifer Mitglied der ersten Stunde im Fanclub Nationalmannschaft . Auch einer, der für den Fußball lebte. Sie hatten schon Pläne für die nächste WM in Russland. Doch Heiligabend 2014 verstarb Hübner völlig überraschend. Ueckerseifer wird die Nationalmannschaft weiter begleiten. Das nächste Mal auswärts beim Qualifikationsspiel in Schottland im September. Das wäre auch in Helmut Hübners Sinne gewesen, da ist er sich sicher.
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Autor/-in: Sebastian Schlichting