Der SV Blau-Gelb Frankfurt ist ein Traditionsverein aus dem Nordwesten Frankfurts, der seit Jahrzehnten durch seine herausragende Jugendarbeit besticht. Mehr als 30 Mannschaften zählt der Verein, der 1926 von Postlern gegründet wurde. Vor den Toren Frankfurts lernte Emre Can das Fußball-Einmaleins.
Inzwischen steht der 27-Jährige im deutschen EM-Aufgebot, ist 36-facher Nationalspieler, zweifacher italienischer Meister und deutscher Meister mit dem FC Bayern München. Wir haben mit dem stellvertretenden Jugendleiter Michael Marschhäuser über die Herausforderungen der Corona-Pandemie und die letzte Begegnung mit Can im Jahr 2018 gesprochen.
Bei allen Beteiligten, Kindern und Jugendlichen war die Freude über die Rückkehr auf den Platz groß: "Wir sind froh, dass die fußballfreie Zeit zu Ende ist", freut sich Michael Marschhäuser aus der Jugendabteilung des Klubs. Trotz der langen Pause geht der stellvertretende Jugendleiter nicht von einem Aderlass aus - ganz im Gegenteil: "Die Teamanzahl steigt eher noch an, wenn wir unsere Bambini-Mannschaften auf Funino-Größe anpassen", betont er. Die ein oder andere Spieler*innen-Abmeldung musste der Verein dennoch hinnehmen. "Einige wenige sind gewechselt, weil sie während der Corona-Pause bei anderen Vereinen mittrainiert haben. Zu diesem Zeitpunkt durfte jedoch eigentlich kein Training stattfinden", klärt er auf.
Blau-Gelb habe sich hingegen strikt an die auferlegten Maßnahmen gehalten, so Marschhäuser, "auch wenn deshalb ein wenig Unmut aufkam." Er sah den gesamten Verein vor eine große Herausforderung gestellt, mit Beginn der ersten Lockerungen alle Maßnahmen schnellstmöglich umzusetzen. "Als Training in Zweier-Gruppen erlaubt war, haben wir auf der gesamten Anlage Linien eingezeichnet, Wege abgesteckt. Das zu stemmen, war echt nicht einfach", sagt der Verantwortliche.
"Wenn er mal wieder nach Frankfurt kommt, freuen sich alle im Verein auf ihn. Besonders die Kids werden heiß darauf sein"
Corona erfordert Kreativität
Inzwischen haben alle Mannschaften mit dem Training angefangen. Das heißt auch, dass die Anlage jeden Tag ab 16 Uhr komplett ausgelastet ist. Neben dem Rasenplatz "Stadion" gibt es einen großen Kunstrasenplatz auf der Fläche am Niddapark. Doch gerade im Winter, wenn auf den Rasenplatz nicht ausgewichen werden kann, sind Platzengpässe keine Ausnahme. "Da ist dann Kreativität gefragt. So teilen wir das Feld in kleinere Bereiche auf, damit jede Jugend genug Platz zum Trainieren hat. Auch dafür werden Konzepte ausgearbeitet", betont der stellvertretende Jugendleiter.
Um dem Wachstum gerecht zu werden, wünscht sich die Fußallabteilung einen zweiten Kunstrasen. Im Frauen- und Mädchenfußball möchte der Verein nachlegen. Ein Team für die E-Juniorinnen fehlt. Am 12. Juni richtete der SV einen Mädchenfußballtag aus, bei dem knapp 30 Spielerinnen kamen. "Wir waren etwas überrascht, dass sich so viele Teilnehmerinnen fanden", blickt Marschhäuser positiv zurück.
{{photo.caption}}
{{photo.copyright}}
Seit vielen Jahren ist der Verein eine der führenden Adressen im Frankfurter Raum. Ein weiterer großer Schritt nach vorne war aus Sicht von Marschhäuser die neu geschaffene Position eines hauptamtlichen sportlichen Leiters. "Das gibt es im Amateur- und Breitensport eigentlich gar nicht", merkt Marschhäuser an. Ugur Cigdem besitzt die Fußball-A-Lizenz und leitet die sportlichen Geschicke seit 2019. Er erstellt Trainingskonzepte für sämtliche Jugendbereiche und steht in engem Austausch mit den Jugendtrainer*innen, den Jugendleiter*innen und den Koordinator*innen, so Marschhäuser.
Er war selbst einige Zeit als Übungsleiter tätig. "Dabei habe ich mit dem sportlichen Leiter mal ein Gespräch zur Gleichbehandlung im Hinblick auf die Einsatzzeiten geführt. Ich war fest davon überzeugt, dass ich niemanden außen vor gelassen habe", war sich Marschhäuser sicher. Der sportliche Verantwortliche führte ihm jedoch schnell vor Augen, dass nicht alle Spieler*innen mindestens in zwei Dritteln aller möglichen Minuten auf dem Feld standen. "Er gibt uns allen noch einmal eine ganz andere Sichtweise", bekräftigt der stellvertretende Jugendleiter.
Idol Can: Kinder stehen Schlange
Von der guten Jugendarbeit profitierte auch Emre Can, der beim Klub aus dem Frankfurter Stadtteil Ginnheim das Fußballspielen lernte. Can spielte von 2000 bis 2006 für die Blau-Gelben, bevor er in die weite Welt des Fußballs aufbrach - und nun in der Nationalmannschaft angekommen ist. "Leider ist kein Verantwortlicher mehr im Verein, der ihn früher trainiert hat", bedauert Marschhäuser. "Sein Name ist dennoch dauerhaft präsent", betont er.
2018 stellte Can seine erste Anzugkollektion für eine Modemarke in Frankfurt vor. Marschhäuser war selbst vor Ort und erinnert sich an Jugendspieler*innen seines Vereins, die Schlange standen für ein Treffen mit ihrem Idol. "Emre hat allen ein Autogramm gegeben und ließ sich mit den Kids ablichten. Er hat sich gefreut, so viele Kinder und Jugendliche von seinem Heimatverein zu sehen", erinnert er sich. Ein Trikot mit Unterschrift von ihm hängt im Vereinsheim.
Sein Vater schaut selbst noch regelmäßig bei Spielen der Jugendmannschaften zu. "Wenn er mal wieder nach Frankfurt kommt, freuen sich alle im Verein auf ihn. Besonders die Kids werden heiß darauf sein", ist sich der Verantwortliche sicher. Und wer weiß, vielleicht bringt der gebürtige Frankfurter den EM-Pokal mit zu seinem nächsten Besuch bei seinem Heimatverein.
Autor/-in: Marcus Mühlenbeck