Trifft sich die Familie Azaouagh, dann gibt es neben dem Fußball kaum andere Themen. Kein Wunder, schließlich haben es mit Mimoun und Ahmed Azaouagh gleich zwei Sprösslinge der Familie zum Fußballprofi gebracht, während es der älteste Sohn Aziz bis in die vierte Liga schaffte und Vater Mohamed seit acht Jahren Zeugwart beim Zweitligisten FSV Frankfurt ist. Warum Mimoun Azaouagh nach einigen Jahren in der ersten und zweiten Bundesliga inzwischen beim Fünftligisten SC Hessen Dreieich kickt, Aziz den Sprung ins Profigeschäft nie geschafft hat und Ahmed inzwischen beim Berliner AK Spielpraxis sammelt, verrät die neue Folge der FUSSBALL.DE-Serie Familienbande.
Mimoun Azaouagh ist ein alter Hase im Profigeschäft – und ist inzwischen im unterklassigen Fußball zuhause. „Ich bin ein Mensch, der sich wohlfühlen muss. Ich liebe den Fußball, deswegen bin ich mit der aktuellen Situation sehr zufrieden“, sagt der 33-jährige ehemalige Bundesligaspieler.
"Mit meinem Vater rede ich von morgens bis abends nur über ein Thema: Fußball. Wir können zusammen herrlich fachsimpeln"
Beim SC Dreieich Hessen spielt er seit Ende 2015 in der fünftklassigen Hessenliga, nachdem er zuvor über ein Jahr vereinslos war. Zunächst war fraglich, ob sein Körper eine weitere Station in seiner Karriere zulässt, doch in Dreieich hat Azaouagh mit Rudi Bommer einen erfahrenen Trainer, der seine Leistungsbereitschaft einzuschätzen weiß. „Ich freue mich, wieder öfter auf dem Platz zu stehen“, sagt Azaouagh.
Begonnen hat die Geschichte der Familie Azaouagh in Deutschland mit Vater Mohamed, der Anfang der 80er-Jahre als Gastarbeiter einwanderte. Seine beiden ältesten Söhne Aziz und Mimoun wurden in dessen Heimatland Marokko geboren, doch nur wenige Monate nach Mimouns Geburt im November 1982 holte sein Vater die Familie nach Deutschland.
In Marokko hatte Mohamed Azaouagh kein einfaches Leben. „Mein Vater hatte eine schwere Kindheit. Sein Vater ist sehr früh verstorben, sodass er als ältester Sohn früh als Ernährer der Familie für den Unterhalt sorgen und viel arbeiten musste“, weiß Mimoun. Für das Hobby Fußball blieb da nicht viel Zeit: „Als junger Mann hat er trotzdem so oft es ging barfuß und mit aus Müll zusammengebastelten Bällen Fußball gespielt“, sagt der Sohn.
In Deutschland angekommen, hatten die beiden älteren Brüder früh nur Fußball im Kopf: „Mit Aziz habe ich immer draußen gebolzt, wenn wir frei hatten“, sagt Mimoun Azaouagh. Den ersten Kontakt zum höherklassigen Fußball hatten alle drei Söhne beim FSV Frankfurt. „Der Sportplatz des FSV war in der Nähe unseres Hauses, sodass der Schritt in den Verein für uns alle logisch war. Dadurch hat sich auch eine enge Verbundenheit mit dem FSV entwickelt“, so der 33-Jährige.
Den Sprung in die Frankfurter Profimannschaft schaffte von den drei Söhnen nur der Jüngste: In der Saison 2014/15 machte Ahmed Azaouagh beim 3:3-Unentschieden im Heimspiel gegen den FC St. Pauli sein einziges Zweitligaspiel für den FSV, bei dem er 20 Minuten vor Schluss eingewechselt wurde. „Ahmed hat immer gut trainiert, das haben mir seine Kollegen versichert. Leider hat er aber trotzdem nie wirklich das Vertrauen des Trainers bekommen, um einfach mal ins kalte Wasser geschmissen zu werden“, sagt sein älterer Bruder Mimoun. „Für einen jungen Spieler wie Ahmed ist es wichtig, das Vertrauen zu spüren und Spielpraxis zu sammeln, um sich weiterzuentwickeln.“
Beim FSV war für den 21-jährigen Ahmed Azaouagh nach seiner Debütsaison Schluss. Nach einem halben Jahr ohne Verein spielt er nun seit Januar 2016 beim Regionalligisten Berliner AK 07 . „Ich bin von seiner Qualität überzeugt, aber ich bin auch sein größter Kritiker“, verrät Mimoun Azaouagh. „Es liegt an ihm: Wenn er noch ein bisschen härter an sich arbeitet und noch mehr Gas gibt als jetzt schon, dann kann er den erneuten Sprung nach oben schaffen.“ Guter Rat ist dabei gar nicht teuer, schließlich hat Mimoun Azaouagh mit 104 Bundesliga- und 87 Zweitligaspielen genug Erfahrung um zu wissen, wie das Profigeschäft laufen kann.
Der FSV Mainz 05, Schalke 04, der VfL Bochum, Kaiserslautern und nun der SC Hessen Dreieich: Mimoun Azaouagh ist in seiner Profikarriere viel herumgekommen. Einmal reichte es sogar für einen Einsatz in der Champions League. Ende Oktober 2007 war das, beim Auswärtsspiel des FC Schalke 04 beim FC Chelsea. 14 Minuten lang durfte Azaouagh damals die Stimmung an der Stamford Bridge auf dem Rasen genießen.
Von solchen Spielen konnte Mimouns älterer Bruder Aziz nur träumen: Trotz seiner Ausbildung beim FSV Frankfurt kam der 36-Jährige nie über die vierte Liga hinaus. Für die TSG Wörsdorf und Viktoria Aschaffenburg war er in der Oberliga Hessen aktiv, die bis zur Einführung der 3. Liga im Jahr 2008 die vierthöchste Liga (heute fünfte Liga) war. „Irgendwann war er an dem Punkt angelangt, an dem er realisiert hat, dass er den Sprung zu den Profis nicht schafft“, weiß Mimoun. Aziz Azaouagh machte alles richtig: Er beließ es dabei, dass der Fußball ein Hobby war und konzentrierte sich auf seine berufliche Ausbildung. Heute ist Aziz seit über zehn Jahren selbstständig und führt ein Unternehmen für Verkehrserziehung für Jugendliche und nebenbei eine private Fußballschule.
So oft wie möglich kommt die ganze Familie zusammen, um sich über die aktuellen Entwicklungen auszutauschen. „Der Familienzusammenhalt ist bei uns riesig, wir legen viel Wert auf unsere regelmäßigen Treffen“, sagt Mimoun Azaouagh. Mindestens zwei bis drei Mal pro Woche versuchen alle Azaouaghs, sich im elterlichen Hause zusammenzufinden. Nach Ahmeds Wechsel zum Berliner AK wird das natürlich schwieriger.
Doch egal wie häufig die Treffen nun ausfallen, eines wird wohl immer so bleiben: „Mit meinem Vater rede ich von morgens bis abends nur über ein Thema: Fußball. Wir sind beide Trainer, Manager und Spieler in Personalunion. Wir können zusammen herrlich fachsimpeln“, sagt Mimoun Azaouagh lachend.