Robin und Kevin Bayer sind nicht nur fußballverrückt, sondern auch besonders ehrgeizig. Die Brüder, die seit Jahren zum festen Stamm der Deutschen Gehörlosen-Fußballnationalmannschaft zählen, waren daher nach dem Viertelfinalaus bei der Heim-EM in Hannover am Boden zerstört. Auch der 5:0-Sieg über Irland im Spiel um den 5. Platz und die damit verbundene Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Italien im kommenden Jahr war nur ein schwacher Trost. Sie war ohnehin fest eingeplant.
Auch im Vereinsfußball gehen der 23 Jahre alte Robin und der zwei Jahre jüngere Kevin gemeinsame Wege und sind an vielen Wochenenden einer Doppelbelastung ausgesetzt. Samstags stehen in der Regel die Spiele für den Gehörlosen-Sportverein Karlsruhe auf dem Programm, während die Brüder sonntags in der Kreisliga für den FV Wössingen antreten. Spielen Gehörlose im Hörenden-Fußball, macht man den Schiedsrichter vor dem Spiel darauf aufmerksam. So wird zum Beispiel der gehörlose Fußballer in der Regel nicht mit Gelb bedacht, wenn er bei einer Abseitsentscheidung weiterspielt und eventuell gar ein Tor schießt, obwohl das Spiel längst abgepfiffen ist.
Die deutsche Gehörlosen-Fußballmeisterschaft wird nach dem Oberligasystem ausgetragen. Der GSV Karlsruhe tritt also von Herbst bis Frühjahr um die Baden-Württemberg Meisterschaft an und muss dort mindestens Platz drei belegen, um sich für die K.o.-Runde um die Deutsche Meisterschaft zu qualifizieren. Der GSV Karlsruhe ist mit neun Titeln deutscher Rekordmeister und scheiterte in diesem Jahr im Halbfinale an der GSG Stuttgart.
Der Vater als Vorbild
Das Team des GSV Karlsruhe, in den 90er Jahren das Bayern München des Gehörlosenfußballs, hat zurzeit viele junge Spieler und befindet sich im Neuaufbau. Robin und Kevin Bayer sind absolute Leistungsträger und davon überzeugt, dass ihre Mannschaft in den kommenden Jahren den einen oder anderen Meistertitel holen kann. Vorbild ist Vater Eberhard, der in den 70er Jahren ebenfalls für den GSV Karlsruhe kickte und an drei Meistertiteln beteiligt war. Da haben seine Söhne noch Nachholbedarf. Robin wurde mit dem GSV 2010 und 2012 Deutscher Meister, Kevin war 2010 noch zu jung, gehörte also bisher erst einmal zur Meistermannschaft der Karlsruher.
Im Fußball der Hörenden spielen Kevin und Robin seit zwei Jahren für den FV Wössingen, wo sie sich sehr wohlfühlen. Sie sind 2013 dorthin gewechselt, weil sie im Vorgängerverein auch aufgrund ihrer Gehörlosigkeit nicht so gut zurechtkamen. Schließlich gilt es, Rücksicht auf die besonderen Ausbildungsbedingungen Gehörloser zu nehmen. Kevin besuchte während der Woche ein Internat in Freiburg, Robin musste häufig zum Blockunterricht nach Essen. Aufgrund der verpassten Trainingseinheiten wurden sie dann ungeachtet ihrer Leistungsstärke oft nicht für die erste Elf berücksichtigt.
Harmonie im Team
In Wössingen ist nun alles perfekt! Mit Torhüter David Seiberlich spielt dort ein weiterer gehörloser Nationalspieler. Trainer Thomas Scherer gibt sich sehr viel Mühe, auf seine gehörlosen Spieler einzugehen. Diese danken es ihm mit Topleistungen. So konnte das Team in der abgelaufenen Saison den Aufstieg in die Kreisliga feiern, zu dem die Bayer-Brüder mit jeweils 17 Treffern maßgeblich beigetragen haben. Ein Jahr zuvor war Robin mit 24 Toren sogar Torschützenkönig der Kreisklasse A.
Beleg für die Harmonie im Verein ist auch, dass der FV Wössingen einen Bus gechartert hätte, um mit vielen Mitgliedern zum Finale der EM in die HDI-Arena zu kommen, wenn Deutschland und damit die Bayer-Brüder im Endspiel der EuroDeaf 2015 vertreten gewesen wären. Ein Grund mehr für Robin und Kevin enttäuscht darüber zu sein, dass Deutschland nicht im Finale steht.
Autor/-in: Reinhard Brandt