Finaltag: Diese Paarungen stehen fest
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Heiko Schwander aus Nieder-Erlenbach hat eine klare Meinung: Ehrenamt ist Ehrensache. [Foto: Getty Images]
Heiko Schwander ist 55 Jahre alt, er ist Familienvater. Und er leitet die Fußballabteilung der TSG Nieder-Erlenbach. Die ersten Herren spielen in der Kreisliga, die TSG ist stolz auf ihre Jugendarbeit, die Abteilung hat 250, der Verein im Frankfurter Norden rund 1000 Mitglieder. Beruflich betreut Schwander die Makler und Agenten der Alten Leipziger-Halleschen Krankenversicherung. Keine Frage, ein Fulltimejob und oft auch mehr.
Wenn er sagt, dass sein "ehrenamtliches Engagement nur geht, weil alle mitziehen", meint er damit in erster Linie seine Frau Heike. Für sein Engagement über Jahrzehnte zeichnet ihn der DFB aus, die Ehrung des "Club 100" findet im Frankfurter Römer im Beisein von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach statt. Die Entwicklung beim Ehrenamt beobachtet auch Schwander mit wachsender Sorge. Er sagt: "Es wird immer schwieriger, Leute zu motivieren. Das Dilemma ist längst an der Basis angekommen."
Zwischen 2004 und 2009 verlor der Sport in Deutschland die Mitarbeit von 650.000 Ehrenamtlern. Die Erosion lässt sich genauer beschreiben. Besonders dramatisch verläuft der "brain drain", der Verlust an motivierter und unentgeltlicher Hilfe, bei den 30- bis 39-Jährigen. 1999 engagierte sich aus dieser Altersgruppe noch jeder Vierte ehrenamtlich, heute ist es nur noch jeder Zehnte.
"Es wird immer schwieriger, Leute zu motivieren. Das Dilemma ist längst an der Basis angekommen"
Prof. Dr. Sebastian Braun, Sportsoziologe der Humboldt-Universität in Berlin, beschäftigt sich seit Jahren mit der Erforschung, wie ehrenamtliches Engagement in Deutschland eigentlich funktioniert. Braun sagt: "Wir beobachten einen deutlichen Rückgang, das hat nichts mit Messfehlern zu tun. Verstetigt sich diese Erosion, würde es den Fußball in seiner Vielfalt gefährden." Zu Spielausfällen oder Mannschaftsauflösungen, weil Schiedsrichter oder Trainer fehlen, kommt es noch nicht, dank des immer größeren Engagements einer schrumpfenden Gruppe. Weil viele Ehrenamtler auf Kante arbeiten, läuft der Laden. Noch.
Die TSG Nieder-Erlenbach, das ist der äußerste Norden Frankfurts. Im Kern der Bankenstadt türmen sich Glaspaläste. Teure Einkaufsmeilen und teure Autos zwängen sich durch die Wolkenkratzerschluchten. Auf den äußeren Stadtringen liegen dicht bewohnte Viertel, hier gibt es viele kleine Lädchen und fast nie einen Parkplatz. Die Heimat von Schwanders TSG ist der Norden, hier franst Frankfurt langsam aus, die Stadt geht über ins Ländliche, die Hügelketten des Taunus sind nicht mehr weit. "Die Edelpampa Frankfurts, das sind wir", sagt Schwander. "Früher wurden Geburtsurkunde und Beitrittserklärung gleichzeitig unterschrieben. Jeder aus Nieder-Erlenbach wurde Vereinsmitglied." Inzwischen hat der Stadtteil fast 6.000 Einwohner, viele Zugezogene. Schwander: "Automatisch tritt bei uns keiner mehr ein."
Der Fußballverein ist ein Stück Familiengeschichte. 25 Jahre lang war sein Vater 2. Vorsitzender der TSG, schon der Großvater hatte den Verein als Kassierer ehrenamtlich unterstützt. Für Heiko Schwander stellte sich nie die Frage, ob er Mitglied wird. Sechs Jahre war er alt, da begann er für die TSG zu kicken, ab 1986 trainierte er die erste Mannschaft, zuerst als Spielertrainer, bis ein Kreuzbandriss ("Im Training, ohne Zweikampf, eine blöde Sache") seine aktive Zeit beendete. Die Zwillinge Yannick und Manuel kamen auf die Welt, Schwander wurde Jugendleiter. Seit fünf Jahren steht er der gesamten Abteilung vor. Leicht ist das nicht. Schwander sagt: "Wir kämpfen ums Überleben. Die Mitgliedsbeiträge sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein." Erstmals wird man keine A-Jugend stellen können.
Die Fußballabteilung ist kein Selbstläufer, sie braucht Schwanders Engagement. "Früher", sagt Professor Braun, "fühlte man sich berufen, Mitglied in einem Verein zu werden, wegen des Stadtteils, wegen der Geschichte. Heute entscheidet man strikt nach dem Nutzen – passt mir die Trainingszeit, wie weit ist meine Anfahrt." Braun differenziert "milieugebundene Sozialisation" und "biografische Passung". Im Kampf um Mitglieder und Ehrenamtler gleicht der Sportverein heute jedem anderen "Produkt". Der Wunsch nach variablen Trainingszeiten und eine im Schnitt älter werdende Gesellschaft machen es der Fußballabteilung auch nicht leichter.
Dazu Schwander: "Freeclimbing und Wandern, diese Abteilungen boomen im Verein." Dazu kommt die Krise beim Ehrenamt. Vor ein paar Jahren haben er und seine Heike angefangen, den Ausschank bei den Heimspielen selbst zu betreiben. Doch irgendwann war Schluss. "Wir wollten nicht mehr, wir konnten nicht mehr." Schwander weiß nicht, warum immer weniger Menschen ehrenamtlich tätig sind. "Vielleicht liegt es daran, dass man heutzutage beruflich so eingebunden ist."
Braun hat andere Erkenntnisse gewonnen. "Vor allem die vollbeschäftigten, gut gebildeten Mittelschichten engagieren sich", sagt Braun, während Arbeitslose sich, trotz vorhandener Zeitkontingente, zurückziehen. Ehrenamt, analysiert Braun, habe mit sozialer und politischer Integration zu tun.
Gleichzeitig beobachtet der Soziologe etwa in seiner Heimatstadt Berlin, dass ehrenamtlicher Einsatz in manchen Schichten bei bestimmten Themen wieder sexy geworden ist. Junge Eltern etwa bringen sich bei einer Initiative des Kindergartens ein. Oft geht es um ein projektbezogenes, zeitlich eng abgestecktes Engagement. "Die klassische Vereinstätigkeit", sagt Braun, "gilt vielen als verstaubt."
Der Sportsoziologe rät Vereinen dringend, auf diesen Wandel zu reagieren. Früher, das war dauerhafte Bindung, heute und morgen, das ist ein zeitlich befristetes, pragmatisch ausgewähltes Engagement. Früher handelten Ehrenamtler ungeschult und selbstlos, manche opferten sich schier auf, heute wird vom Ehrenamt durchaus Persönlichkeitsschulung, Kompetenzerweiterung und Semi-Professionalität erwartet.
Mag alles stimmen. Doch Heiko Schwander ist "old school", er blickt mit großer Zufriedenheit auf seine Jahrzehnte Ehrenamt bei der TSG Nieder-Erlenbach. Sein Urgroßvater, Hofgärtner beim Baron von Lerfner, war vor mehr als 100 Jahren aus der Schweiz eingewandert. Über den Fußballverein entstand für die Schwanders von Beginn an auch ein Stück Heimat. Und Heiko Schwander wuchs mit den Aufgaben: Jugendtrainer, Jugendleiter, Abteilungsleiter. Wer weiß, vielleicht wird er noch mal Präsident. Trotz der vielen Stunden und der eher seltenen Dankeschöns sagt Heiko Schwander: "Klar, genießt man auch mal die Sommerpause, aber nach ein paar Wochen kribbelt es dann wieder."
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