Es war der spektakulärste Transfer dieses Winters im deutschen Amateurfußball. Ervin Skela, 75 Länderspiele (13 Tore) für die albanische Nationalmannschaft, 168 Bundesligaspiele (21 Tore) für Eintracht Frankfurt, Arminia Bielefeld, den 1. FC Kaiserslautern und Energie Cottbus, spielt künftig für den FC Hanau 1893 in der hessischen Kreisoberliga - das ist die achte Liga. Im FUSSBALL.DE-Interview mit Jochen Breideband spricht Ervin Skela über Hintergründe und Beweggründe, über Hanaus positive Bilanz gegen den FC Bayern München und Miroslav Klose.
FUSSBALL.DE: Herr Skela, was verschlägt einen 75-maligen albanischen Nationalspieler in die achte Liga nach Hessen?
Ervin Skela: Die Liebe zum Fußball und zur Region Frankfurt. Nachdem ich 2004 die Eintracht verlassen hatte, habe ich später häufig betont, dass diese Entscheidung ein Fehler war. Ich hatte in Frankfurt meine schönste Zeit, ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Leider habe ich nie eine zweite Chance bekommen, aber ich hatte immer vor, wieder in die Gegend um Frankfurt zurückzukehren. Jetzt haben alle Mosaiksteinchen zusammengepasst. Meine Frau hat hier eine Stelle gefunden, der Sportliche Leiter von Hanau 93, Giovanni Fallacara, hat uns eine Wohnung in der Nähe in Alzenau besorgt. Außerdem spielt Alexander Hagikian in Hanau, er ist seit damals wie ein kleiner Bruder für mich. Seine Mutter ist die Patentante meines Sohnes.
Was wissen Sie über Ihren neuen Verein?
"Über allem steht für mich der Spaß am Fußball. Ich werde es nicht mehr so verbissen sehen wie als Profi, aber Ehrgeiz gehört dazu"
Skela: Wenn ich ehrlich bin, nicht viel. Es ist der älteste Fußballverein Hessens, das weiß ich. Und dass der FC Bayern München gegen Hanau 93 eine negative Bilanz hat.
Stimmt, die beiden Pflichtspiele endeten 1955 aus Hanauer Sicht 4:1 und 1:1. Sie wissen also doch einiges.
Skela: Ich weiß auf jeden Fall, dass hier nicht die Champions League das Ziel ist. (lacht) Die Mannschaft ist in ihrer Liga Zweiter, sieben Punkte hinter dem Spitzenreiter. Ich habe gehört, die Zuschauer in diesem Verein sind mit viel Herzblut dabei. Mal sehen, was bis Sommer noch geht. Ich möchte den Jungs und dem Klub gerne helfen - und mich einigermaßen fit halten.
Haben Sie den Trainer und Ihre neuen Mitspieler schon kennengelernt?
Skela: Nein, ich hatte bisher nur mit Giovanni Fallacara Kontakt. Und natürlich mit Alex Hagikian. Ich hatte ihn bei unserem Aufstieg in die Bundesliga 2003 als Jugendlichen am Römer mit auf dem Balkon. Wir haben damals mit 20.000 Fans gefeiert nach dem legendären 6:3 gegen den SSV Reutlingen am letzten Spieltag. Ich war bisher noch nicht persönlich in Hanau, weil wir sehr viel um die Ohren haben. Wir organisieren gerade unseren Umzug, es sind jede Menge Behördengänge zu erledigen. Aber ich habe nicht vor, zwei Wochen bei den 93ern mitzumachen und dann wieder abzuhauen.
Ervin Skela in der achten Liga - wie muss man sich das im Alltag vorstellen? Tatsächlich mit Training auf Asche in den nächsten Wochen?
Skela: Ich habe mir darüber noch keinen großen Kopf gemacht. Für mich ist das alles neu. Körperlich dürfte es keine Probleme geben. Ich war in meiner Karriere nie richtig verletzt, habe vielleicht mal wegen einer Grippe gefehlt. Über allem steht für mich der Spaß am Fußball. Ich werde es nicht mehr so verbissen sehen wie als Profi, aber Ehrgeiz gehört natürlich dazu - auch im Amateurbereich.
Wie sehr vermissen Sie das Profileben?
Skela: Ich bin mit 18 nach Deutschland gekommen und war dann 16 Jahre Profifußballer. Im ersten Moment spürt man auch Erleichterung, wenn man nach all dieser Zeit seine Karriere beendet. Ich hatte viel Stress, viel Druck, viele Reisen, kaum Zeit für die Familie. Aber nach einiger Zeit vermisst man es, den Muskelkater nach hartem Training oder wenn man in der Vorbereitungszeit so müde ist, dass man manchmal beim Essen den Löffel kaum heben kann. Die Zeit als Profi ist kurz, das wurde mir erst mit Anfang 30 so richtig bewusst. Ich war Nationalspieler, Kapitän, durfte den Traum erleben, vor 80.000 Zuschauern zu spielen. Daran werde ich immer gerne zurückdenken.
Sie haben zweimal mit der albanischen Nationalmannschaft gegen Deutschland gespielt. Wie präsent sind Ihre Erinnerungen daran noch?
Skela: Das erste Duell war 2001 in Leverkusen. Daran kann ich mich sehr gut erinnern. Es war mein drittes Länderspiel, ich bin eine Viertelstunde vor Schluss eingewechselt worden. Wir haben mit 1:2 verloren, weil Miroslav Klose in der letzten Minute getroffen hat. In seinem ersten Länderspiel.
13 Jahre später steht Klose vor seiner vierten WM und ist deutscher Rekordtorschütze.
Skela: Das konnte damals noch keiner ahnen. Ich habe in meiner Karriere oft gegen Miro gespielt, er ist ein ganz feiner Kerl. Er ist nicht nur als Torjäger ein Champion, sondern auch auf Grund seines Charakters. Er geht immer zur Sache, kann einstecken, macht kein Theater und zeigt keinen Hauch von Arroganz. Darum ist er bis heute in jeder Mannschaft, in der er gespielt hat, bei seinen Mitspielern anerkannt.
Ihre zweite Begegnung mit der DFB-Auswahl…
Skela: … haben wir klar 0:2 verloren. Ein unspektakuläres Spiel. Ich denke lieber an das WM-Qualifikationsspiel 2004 gegen Griechenland zurück. Das war der Höhepunkt meiner Nationalmannschaftskarriere. Wir haben damals den amtierenden Europameister 2:1 geschlagen und wurden in Albanien gefeiert wie bei einem Titelgewinn. Dieses Erlebnis könnte nur getoppt werden, wenn sich Albanien erstmals für eine WM oder EM qualifizieren würde. Ich hoffe sehr, dass es im neuen Qualifikationsmodus diesmal mit der EM-Teilnahme für uns klappt.