An seine „linke Klebe“ dürfte sich selbst Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn noch genau erinnern. Stefan Blank leitete einst den sensationellen 2:1-Erfolg von Alemannia Aachen im DFB-Pokal gegen den FC Bayern München ein. Sein Weitschuss wurde sogar zum „Tor des Monats“ gewählt.
Jetzt hat der 38-jährige Ex-Profi beim West-Regionalligisten FC Kray ein „Himmelfahrtskommando“ übernommen. Als Nachfolger von Micha Skorzenski soll Blank den kleinen Essener Klub zum Klassenverbleib führen.
Im aktuellen FUSSBALL.DE -Interview spricht Stefan Blank über seinen missglückten Einstand, die Chancen auf den Klassenverbleib und seine Heimat im Ruhrgebiet.
FUSSBALL.DE: Ihr Liga-Einstand ging daneben. Ausgerechnet gegen das zuvor sieglose Schlusslicht FC Wegberg-Beeck gab es trotz Führung ein 2:4. Wie groß war die Enttäuschung, Herr Blank?
"Unser Vorteil ist, dass wir uns aktuell keinen großen Druck machen müssen, weil uns ohnehin schon die gesamte Liga abgeschrieben hat"
Stefan Blank: Es war bitter, beim Schlusslicht zu verlieren. Besonders die Art und Weise fand ich nicht in Ordnung. Auf vier bis fünf Positionen hatten wir Totalausfälle zu verzeichnen. In Sachen Einstellung und Kampfgeist hat uns Wegberg-Beeck vorgemacht, wie es im Abstiegskampf geht. Jeder kann einmal einen schlechten Tag erwischen. Nur muss ich mich auch dann zumindest für den Verein zerreißen. Das habe ich der Mannschaft bei der Analyse auch deutlich gesagt.
Neun Punkte beträgt der Rückstand auf die Nichtabstiegsplätze. Wie schwer ist dieser Rucksack?
Blank: Keine Frage: Der Rucksack hat enormes Gewicht. Zehn Zähler sind auf der anderen Seite aber absolut aufzuholen. Unser Vorteil ist, dass wir uns aktuell keinen großen Druck machen müssen, weil uns ohnehin schon die gesamte Liga abgeschrieben hat. Dass keiner mehr mit uns rechnet, müssen wir zu unserem Vorteil nutzen. Entscheidend für mich ist und bleibt die Art und Weise, wie wir die Spiele angehen. Man kann verlieren, man kann sogar absteigen, wenn ich zuvor alles gegeben habe.
Was sind jetzt Ihre vorrangigen Aufgaben?
Blank: Ein Stück weit bin ich auch als Psychologe gefragt. Daher habe ich für diese Woche viele Einzelgespräche angesetzt. Der Mannschaft muss klar sein, dass sie jetzt der Jäger ist und daher befreit aufspielen kann. Schon im Training werden wir an die Grenzen gehen - und ich werde genau hinschauen, wer mitzieht und wer nicht.
Also könnte es im Winter zu Veränderungen im Kader kommen?
Blank: Der Verein muss wissen, auf wen er sich in Zukunft verlassen kann. Ob es schon im Winter Veränderungen gibt, müssen wir abwarten. Nicht zuletzt auch finanziell muss es genau passen. Spieler, die wir holen, müssen sich darüber hinaus voll und ganz mit der Aufgabe in Kray identifizieren.
Gilt Ihr Vertrag nur für die Regionalliga?
Blank: Es ging alles sehr schnell. Wir haben uns zunächst auf eine Zusammenarbeit bis zum Sommer verständigt. Der Verein kennt meine Denkweise. Ich will eine Mannschaft auf dem Feld sehen, die Fußball mit der nötigen Aggressivität anbietet, die zu jedem Zeitpunkt ehrliche Arbeit abliefert.
Wie ist Ihr erster Eindruck von der Spielklasse?
Blank: Ich habe immer mal wieder in die Regionalliga West reingeschnuppert, fange also jetzt nicht bei Null an. Gerade die vergangenen Spieltage haben gezeigt, dass jederzeit alles möglich ist - aber nur, wenn auch die Grundeinstellung passt.
Das Derby gegen Rot-Weiss Essen am 27. November wirft langsam aber sicher seine Schatten voraus.
Blank: Damit beschäftigte ich mich derzeit noch nicht. Mein Fokus liegt auf dem kommenden Duell mit der SSVg Velbert. Fakt ist, dass der Vergleich mit RWE für den FC Kray zu den Saisonhöhepunkten zählt.
Sie waren vor Ihrem Engagement in Kray Trainer beim Bezirksligisten DJK Eintracht Datteln. Wie groß ist der Sprung zur 4. Liga?
Blank: Die Ligen sind nicht vergleichbar. Aufwand und fußballerische Qualität sind in der 4. Liga um ein Vielfaches höher. Gleich geblieben ist: Ich erwarte von meinen Mannschaften – egal, in welcher Liga sie spielen - ehrlichen Fußball.
Begreifen Sie den FC Kray auch für sich persönlich als Chance?
Blank: Mein Ziel war es immer, im Westen eine höherklassige Mannschaft zu trainieren. Jetzt möchte ich die Chance beim FC Kray nutzen und mich so teuer wie möglich verkaufen. Sollte uns der Klassenverbleib trotz unseres Punkte-Rückstands gelingen, wäre das sensationell.
Zu Profi-Zeiten war Ihre „linke Klebe“ gefürchtet. Ist das immer noch so?
Blank: Davon bin ich weit entfernt. Meine Knochen machen da nicht mehr mit. Beide Knie sind lädiert. Auch wenn es manchmal kribbelt, selbst mitmischen kann ich nicht mehr. Wenn es die Zeit zulässt, gehe ich auf den Golfplatz.
Gegen Oliver Kahn war Ihnen sogar einmal das „Tor des Monats“ gelungen. Mit Alemannia Aachen warfen Sie damals den FC Bayern München 2:1 aus dem Pokal. Wo steht die Medaille?
Blank: In einer kleinen Vitrine. Das Tor hängt mir nach, das habe ich schon gemerkt. Ganz ehrlich: Ich hatte nicht nur den einen guten Tag. (lacht) Das Spiel gegen die Bayern war allerdings in der Tat ein Riesenerlebnis. Ich schaue gerne darauf zurück. Andere Spieler hatten ganz sicher mehr Talent als ich. Unter dem Strich entscheiden jedoch immer der Wille und das Herz. Damit lassen sich auch Schwächen ausmerzen. Das sage ich auch meinen Spielern: Man kann alles erreichen - wenn man es nur möchte.
Sie wurden in Gelsenkirchen geboren, spielten unter anderem für Schalke 04, die SG Wattenscheid 09 und den MSV Duisburg. Jetzt trainieren Sie den Essener Klub FC Kray und wohnen wieder in Gelsenkirchen. Sind Sie ein „Kind des Ruhrgebiets“?
Blank: Na klar. Ich bin im ‚Pott‘ groß geworden. Andere Gegenden sind auch schön. Aber im Ruhrgebiet liegen meine Wurzeln, daher bin ich auch immer wieder zurückgekehrt. Die Leute sind offen und ehrlich. Das mag ich. Außerdem bin ich ein Typ, der immer seine Meinung sagt, auch wenn die anderen Leuten vielleicht nicht in den Kram passt.
Wie haben Sie das 3:2 von Borussia Dortmund gegen den FC Schalke 04 verfolgt?
Blank: Da ich mir zuvor das 3:1 von Fortuna Düsseldorfs U 23 gegen Alemannia Aachen angesehen habe, konnte ich nur wenige Minuten vom Derby sehen.
Wem haben Sie die Daumen gedrückt?
Blank: Als gebürtiger Gelsenkirchener und ehemaliger Schalker Spieler hängt mein Herz schon an „Königsblau“ - aber nicht mehr so extrem. Ich freue mich über jedes attraktive Derby. Am Sonntag war Dortmund die bessere Mannschaft.
Autor/-in: Thomas Ziehn/mspw