Die Vita von Marijan Kovacevic, seit wenigen Wochen Trainer der U 23 des TSV 1860 München in der Regionalliga Bayern, kann sich sehen lassen: Der ehemalige Verteidiger war als Profi unter anderem für den Hamburger SV, den VfL Wolfsburg und den MSV Duisburg am Ball, kam auf 119 Einsätze in der Bundesliga. Außerdem kickte der gebürtige Hamburger in Portugal, Österreich, Zypern und in Bosnien. Seine Laufbahn ließ er schließlich 2009 bei der U 23 des VfB Stuttgart ausklingen. Beim VfB arbeitete er im Anschluss zunächst als Jugendtrainer, dann mehrere Jahre als Scout.
Jetzt ist der 42 Jahre alte Kroate U 23-Trainer bei den „Löwen“, nachdem Vorgänger und Ex-Nationalspieler Daniel Bierofka zu den Profis aufgerückt ist. Im aktuellen FUSSBALL.DE - Regionalliga-Interview der Woche spricht Marijan Kovacevic über die vielen Jahre als Scout beim VfB Stuttgart, seinen Traumberuf Fußballtrainer, negative Erfahrungen bei Stationen im Ausland und die Situation bei den Profis, die zwei Spieltage vor Saisonende im Abstiegskampf der 2. Bundesliga stecken.
FUSSBALL.DE: Sie sind seit einigen Wochen Trainer der U 23 des TSV 1860 München. Zuvor waren Sie bis Juni 2015 jahrelang Scout beim VfB Stuttgart. Wie kam es zum Tapetenwechsel?
Kovacevic: Ich hatte schon immer den Traum, als Trainer zu arbeiten. Deshalb habe ich 2011 auch meine Ausbildung zum Fußball-Lehrer abgeschlossen. Obwohl ich bereits im ersten Jahr nach meinem Karriereende in der Saison 2009/2010 als U 15-Trainer beim VfB tätig war, hat sich in Stuttgart leider nie eine weitere Möglichkeit ergeben, als Trainer zu arbeiten. Ich bin sozusagen auf meiner Position als Scout „hängengeblieben“. Das lag zum Teil auch daran, dass es oft Veränderungen innerhalb der Sportlichen Leitung gab und der Verein mir signalisierte, dass ich als Scout gebraucht werde. Das habe ich akzeptiert. Es ist ja auch nicht so, dass mir die Arbeit als Scout keinen Spaß bereitet hätte. Ganz im Gegenteil!
"Ich sehe mich eher auf dem Platz der eigenen Mannschaft als ständig bei Spielen von anderen Teams"
Nachdem Daniel Bierofka zu den Profis aufgerückt ist, wurden Sie nur kurze Zeit später als sein Nachfolger präsentiert. Wie überraschend kam das Angebot aus München?
Kovacevic: Seitdem ich mein Amt in Stuttgart Ende der vergangenen Saison niedergelegt hatte, stand ich in regelmäßigem Kontakt mit TSV-Sportdirektor Necat Aygün. Als Daniel Bierofka befördert wurde, rief Necat mich an und es wurde schnell konkret. Ich habe sofort zugesagt, ohne lange zu überlegen. Es ist eine hervorragende Chance, um mich als Trainer zu beweisen.
Gibt es bekannte Spieler, die sie als Scout entdeckt haben?
Kovacevic: Das ist schwierig zu sagen. Ich habe als Scout für alle Mannschaften von der U 17 bis zum Profiteam gearbeitet. Vor allem in der Profiabteilung ist es immer Teamwork, wenn ein Spieler zum Verein gelotst wird. Das ist nicht der Verdienst eines Einzelnen . Zu meinen Aufgaben gehörte außerdem, Nachwuchsabteilungsleiter Rainer Adrion bei der Kaderzusammenstellung der Jugendteams zu unterstützen.
Sie haben in Ihrer aktiven Laufbahn nicht nur in Deutschland gespielt, sondern waren auch in vielen anderen Ländern am Ball. Hat Ihnen das bei Ihrer Arbeit als Scout geholfen?
Kovacevic: Es ist zumindest kein Nachteil, wenn man in vielen Ländern gut vernetzt ist. Ich habe durch meine Stationen im Ausland viele zusätzliche Erfahrungen gesammelt und einige Kontakte geknüpft, die meiner Scout-Tätigkeit durchaus zugutekamen.
Gab es als Spieler eine Station, die Sie rückblickend besonders spannend fanden?
Kovacevic: Ich möchte mich ungern auf einen Verein festlegen. Beim Hamburger SV hatte ich zum Beispiel eine sehr schöne Zeit, weil ich als junger Spieler viel lernen und mitnehmen konnte. Die anschließenden zwei Jahre beim VfL Wolfsburg waren auch fantastisch, weil der Klub erstmals in der Vereinsgeschichte in der Bundesliga spielte. Über einige Stationen im Ausland kann ich dagegen nicht ganz so positiv reden. Versprechungen wurden nicht eingehalten, Gehälter teilweise nicht gezahlt. Aber auch das sind Erfahrungen, die mich weitergebracht haben und die ich heute den jungen Spielern weitergebe.
Was gefällt Ihnen besser? Die Arbeit als Scout oder als Trainer?
Kovacevic: Es sind zwei ganz verschiedene Aufgabengebiete, die beide sehr reizvoll sind. Als Trainer stehst du mehr im Mittelpunkt und kannst auf dem Platz aktiv eingreifen. Du arbeitest in der Gegenwart, denkst von Woche zu Woche. Ein Scout ist da anders gestrickt, bleibt mehr im Hintergrund und hat immer die Zukunft im Blick. Du bist ständig auf der Suche nach Talenten, die in den kommenden Jahren den Sprung in den Profibereich schaffen könnten. Wenn ich mich aber zwischen den beiden Tätigkeiten entscheiden müsste, fiele meine Wahl klar auf die Arbeit als Trainer. Ich sehe mich eher auf dem Platz der eigenen Mannschaft als ständig bei Spielen von anderen Teams.
Sie haben mit Ihrer Mannschaft den sportlichen Klassenverbleib bereits unter Dach und Fach gebracht. Jetzt richtet sich der Blick vor allem auf die Profis. Denn: Steigt 1860 aus der 2. Bundesliga ab, müsste die U 23 runter in die 5. Liga. Wie bitter wäre das?
Kovacevic: An dieses Szenario möchte ich gar nicht denken. Es macht wenig Sinn, darüber zu reden, bevor es wirklich eingetreten ist. Ich bin auch davon überzeugt, dass es Daniel Bierofka schafft, mit seiner Mannschaft die Klasse zu halten.
Bis wann haben Sie bei den Münchnern unterschrieben?
Kovacevic: Wir haben uns zunächst auf eine Zusammenarbeit bis Saisonende verständigt. Danach setzen wir uns erneut zusammen und schauen, ob wir uns auf einen langfristigen Vertrag einigen können.
Mit mindestens einem Auge schauen Sie sicherlich auch auf die Entwicklung Ihres Ex-Vereins aus Stuttgart. Haben Sie das 2:6 beim SV Werder Bremen verfolgt?
Kovacevic: Ja, leider. (lacht)
Glauben Sie, dass der VfB dieses Jahr den Gang in Liga zwei antreten muss?
Kovacevic: Ich hoffe es nicht. Klar ist, dass die Situation brenzlig ist. Das ist aber jetzt egal. In den verbleibenden zwei Spielen muss sich jeder Einzelne noch einmal zusammenreißen, um da unten wieder herauszukommen. Ich kann aus München nur die Daumen drücken.
Autor/-in: Christian Knoth/mspw