Er stammt aus dem Nachwuchs von Bayer 04 Leverkusen, war langjähriger Mannschaftskamerad von René Adler, spielte in der Bundesliga und im UEFA-Cup. Doch Torhüter Benedikt Fernandez musste in seiner Karriere einige Rückschläge einstecken. Mittlerweile hütet der 30-Jährige das Tor des Regionalligisten Sportfreunde Lotte. Immerhin läuft es dort richtig gut. Der Verein aus dem Kreis Steinfurt führt die Tabelle der Regionalliga West an. Am Samstag steht das Topspiel beim direkten Verfolger Borussia Mönchengladbach II an.
Im Interview mit FUSSBALL.DE erzählt Fernandez, warum er hinter René Adler immer das Nachsehen hatte, inwiefern Jupp Heynckes für seinen Karriereknacks mitverantwortlich ist und warum das bevorstehende Spiel in Gladbach gleich doppelt schwer wird.
FUSSBALL.DE: Herr Fernandez, Sie sind nur eine Woche älter als René Adler und durchliefen gemeinsam mit ihm die Nachwuchsabteilung von Bayer 04 Leverkusen. Waren Sie über all die Jahre Konkurrenten?
Benedikt Fernandez: Was heißt Konkurrenten? Erst einmal sind wir bis heute relativ gute Freunde und haben uns immer gepusht. Aber es stellte sich schnell heraus, dass René einfach mehr Talent mitbringt und mehr gefördert wird. Obwohl wir praktisch gleich alt sind, hat er meist eine Mannschaft über mir gespielt.
"Wir trainieren hier wie Vollprofis. Um genau zu sein: Wir haben sogar etwas mehr Trainingseinheiten als in Leverkusen unter Jupp Heynckes"
Woran war zu erkennen, dass René Adler mehr Talent mitbringt?
Fernandez: Wir kamen fast zur gleichen Zeit nach Leverkusen. René hatte bereits in der Jugend-Nationalmannschaft gespielt. Dadurch hatte er bereits auf höchstem Niveau Erfahrung gesammelt. Für mich hingegen war der Schritt nach Leverkusen eine ganz neue Welt. Daher wurde René etwas mehr gefördert. Er ist damals zu der Familie von Torwarttrainer Rüdiger Vollborn gezogen. Ihm wurde auf und neben dem Platz sehr viel vermittelt.
Machte es Sie nicht wütend, dass Adler mehr gefördert wurde als Sie?
Fernandez: Überhaupt nicht. Auf dem Platz hat mich Rüdiger Vollborn ebenfalls sehr gefördert. Und wie gesagt: René kam als Jugend-Nationalspieler nach Leverkusen. Ich kam aus der Sonderliga in Hennef. Das war ein großer Unterschied. Er hatte auch körperlich andere Voraussetzungen und war etwas größer als ich.
Trotzdem gaben Sie Ihr Bundesligadebüt früher als René Adler. Im Februar 2007 kamen Sie gegen Eintracht Frankfurt in das Spiel, als Stammtorhüter Jörg Butt die Rote Karte sah …
Fernandez: Das stimmt. Eigentlich war ich damals hinter Jörg und René die Nummer drei. René war aufgrund einer Rückenverletzung allerdings lange ausgefallen. Deshalb saß ich in der Bundesliga immer auf der Bank. Dann wurde Butt gegen Frankfurt in der 29. Minute vom Platz gestellt. Ich weiß noch ganz genau, wie ich mit meinem viel zu großen XL-Trikot à la Butt auf den Platz geschickt wurde. Ich kam bei einem Stand von 0:0 herein. Letztendlich haben wir 2:2 gespielt. Es war ein großes Erlebnis, mit 22 Jahren in der Bundesliga im Tor zu stehen. Damals war das noch etwas Besonderes. Heutzutage sind die Torhüter alle frühreif und machen schon mit 18 oder 19 Jahren die ersten Ligaspiele.
Sie durften auch gegen Hannover 96 das Tor hüten. Danach bekam René Adler den Vorzug. Eine Situation, an der sich über all die Jahre nie mehr etwas geändert hat.
Fernandez: Er hatte einfach mehr Qualität und wurde als Nachfolger von Butt herangezogen. Ich stand immer in seinem Schatten. Daher war ich sogar überrascht, überhaupt noch gegen Hannover spielen zu dürfen. Der Grund dafür war lediglich, dass René nach seiner langen Verletzung zunächst Spielpraxis bei der zweiten Mannschaft sammeln sollte.
Sie haben insgesamt sechs Bundesligaspiele und zwei Partien im UEFA-Cup bestritten. Blicken Sie heute mit Stolz oder Wehmut an diese Zeit zurück?
Fernandez: Momentan blicke ich gar nicht zurück. Schließlich haben wir mit den Sportfreunden Lotte eine heiße Phase. Aber als im August das DFB-Pokalspiel gegen Bayer Leverkusen anstand ( 0:3 Niederlage, Anm.d.Red. ) war das natürlich eine Reise in die Vergangenheit. Da habe ich einige alte Zeitungsausschnitte herausgesucht und an die damalige Zeit zurückgedacht.
Mit welchen Gefühlen?
Fernandez: Es ist schade, dass ich mir später eine schwere Knieverletzung zuzog und drei Operationen innerhalb von elf Monaten hatte. Das war ein Karriereknick. Vorher war ich immer die Nummer zwei hinter René. Dann kam Jupp Heynckes als neuer Trainer. Ich fiel die ersten sechs Monate aus. Als sich René Adler kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika verletzte, gab Jupp Heynckes dem ganz jungen Fabian Giefer den Vorzug. Damals war das unverständlich für mich. Andererseits war es perspektivisch vielleicht eine gute Entscheidung, weil Fabian Giefer einen guten Weg gegangen ist. Aber für meine Karriere war das ein echter Knacks. Also, um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ein wenig Wehmut, dass es keine weiteren Einsätze gab, ist durchaus vorhanden.
Im Sommer 2011 war Ihre Zeit in Leverkusen beendet. Ihr Probetraining bei Mainz 05 blieb erfolglos, sodass Sie ein Jahr vereinslos waren.
Fernandez: Ich habe mich damals verzockt. Ich habe zwei Drittligisten abgesagt, weil ich, wie Menschen eben so sind, gierig war und nach mehr strebte. Mit Mainz hätte es fast geklappt. Ich war zwei Wochen im Probetraining, weil ein dritter Torhüter hinter Christian Wetklo und Heinz Müller gesucht wurde. Ich hatte bereits mit Manager Christian Heidel über vertragliche Inhalte gesprochen. Doch ein Tag vor Ende der Transferperiode wurde Mainz der 18-jährige Loris Karius angeboten, der aus der Jugend von Manchester City kam. Bei ihm sah man viel Entwicklungspotenzial. Also war ich aus dem Rennen und stand somit auf der Straße. Das war eine schwierige Zeit. Immerhin gab mir Leverkusen die Möglichkeit, bei der zweiten Mannschaft mitzutrainieren.
Welche Erinnerung haben Sie an die Saison 2012/2013, die Sie beim Drittligisten 1. FC Saarbrücken verbracht haben?
Fernandez: Ich weiß gar nicht, was ich über diesen Verein sagen soll … Ich habe dort für einen Hungerlohn gespielt, obwohl ich ein Bundesligatorhüter gewesen bin. Bis heute sagt jeder, dass ich mit hauptverantwortlich für den Klassenerhalt gewesen bin. Trotz Bandscheibenvorfall ließ ich mich fit spritzen. Ich habe in meinen Spielen fast alles gehalten und gehörte laut kicker zu den drei besten Torhütern der Rückrunde. Der Dank des Vereins war ein ganz mieses Vertragsangebot. Mein ohnehin schon geringes Gehalt sollte weiter reduziert werden. Ich war nicht der einzige Spieler, mit dem so verfahren wurde. Letztendlich ist der Verein dort gelandet, wo er mit dieser Führungsart auch hingehört - auch wenn es mir für das Umfeld leid tut.
Nun sind Sie seit 2013 bei den Sportfreunden Lotte. Lediglich im Sommer gab es ein ganz kurzes Intermezzo mit dem SV Elversberg. Inwiefern ist ein Regionalligist mit Ihren vorherigen Stationen in Leverkusen und Saarbrücken vergleichbar?
Fernandez: Wir trainieren hier wie Vollprofis. Um genau zu sein: Wir haben sogar etwas mehr Trainingseinheiten als in Leverkusen unter Jupp Heynckes. Unser Rhythmus ist wie bei den Profis. Nur werden wir viel ärmer bezahlt, weil wir halt nicht ganz so gut sind.
Möglicherweise kehren Sie mit den Sportfreunden Lotte wieder in den Profifußball zurück. Sie sind Tabellenführer der Regionalliga West und haben drei Punkte Vorsprung auf die zweite Mannschaft von Borussia Mönchengladbach, die bereits ein Spiel mehr bestritten hat. Am Samstag steht das Top-Spiel in Gladbach an. Wäre der Aufstieg für Sie ein Traum?
Fernandez: Ich glaube, für einige meiner Mannschaftskameraden ist es ein viel größerer Traum als für mich. Ich möchte einfach noch ein paar Jahre auf gutem Niveau spielen. Aber wir haben viele junge Spieler, die hungrig sind. Denen würde ich den Aufstieg gerne mit ermöglichen. Wir haben eine große Chance, die wir einfach wahrnehmen müssen. Auch wenn wir momentan großes Verletzungspech haben. Wir dürfen gegen Gladbach zumindest nicht verlieren. Wobei das ein ganz schweres Spiel wird.
Dass das Spiel ausgerechnet in der Länderspielpause stattfindet, könnte Gladbach in die Karten spielen, oder?
Fernandez: Natürlich. Dieses Wochenende ist keine Bundesliga. Alle Spieler, die dazu berechtigt sind, werden zur zweiten Mannschaft stoßen und gegen uns antreten. Aber wir haben viel Selbstvertrauen und können das packen.
Sie haben im Westfalenpokal bereits den Drittligisten Preußen Münster bezwungen. Zeigt das, wie viel Qualität in Ihrer Mannschaft steckt?
Fernandez: Da wir Münster bereits vergangenes Jahr im Halbfinale bezwungen haben, dürfte das kein Zufall gewesen sein. Wir können gegen einen Drittligisten nicht nur mithalten, sondern auch das Spiel machen.