Fußballspielen mit Beinprothese? Klingt wie ein Wunder. Und das ist es auch. Vor vier Jahren machte bereits Manuel Ortega in Hannover auf sich aufmerksam. Er war mit seinen zwei Saisontoren trotz Beinprothese unzufrieden. Im Lüneburger Kreis möchte nun jemand mit Beinprothese Tore verhindern. Beim FC Dynamo Lüneburg II steht seit Anfang der Saison ein afghanischer Torwart in der 4. Kreisklasse zwischen den Pfosten, der nur ein Bein hat.
Hamed Sager war zwölf Jahre alt, saß in der Schule, als die Taliban in seine Klasse stürmten und wild um sich schossen. Dabei hatte er Glück, dass „nur“ sein Bein getroffen wurde, denn einige seiner Mitschüler überlebten den Angriff nicht. Aufgrund der Verletzung musste ihm das Bein abgenommen werden und wurde durch eine Prothese abwärts des Kniegelenks ersetzt. Das konnte ihn aber nicht davon abhalten, seiner Liebe zum Fußball treu zu bleiben.
Vor rund fünf Monaten traf der jetzt 23 Jahre alte Afghane in Lüneburg ein. Dort bekam er eine neue Beinprothese, mit der er für den FC Dynamo aufläuft. Denn Fußball ist sein Leben, er kickte lange vor dem verhängnisvollen Tag in der Schule. „Das merkt man ihm auch an, denn er ist zwar gehandicapt, aber die Basisausbildung hat er“, sagt Dynamo-Präsident Jens Niemann zu seinem ehrgeizigen Neuzugang. „So eine Verletzung beendet ja normalerweise sportliche Aktivitäten, aber Hamed hat nicht aufgegeben und macht das Beste draus. Auf der Linie ist er gut, springt immer mit dem einem gesunden Bein hoch und fängt die Bälle gut weg. Beim Rauslaufen hat er verständlicherweise Defizite. Abschläge kann er mit seinem gesunden Bein machen, mit der Prothese klappt das eher weniger.“
Anfängliche Skepsis im Verein
"Ich hatte Bedenken. Doch als ich sah, wie er trotz Handicap den Ball schlug und mit seinem Stellungsspiel als Keeper sein Können zeigte, war ich überzeugt, dass es klappt"
Niemann räumt seine anfängliche Skepsis ein: „Als er den Wunsch äußerte, bei uns als Torhüter mitzuspielen, hatte ich Bedenken. Doch als ich sah, wie er trotz Handicap den Ball schlug und mit seinem Stellungsspiel als Keeper sein Können zeigte, war ich überzeugt, dass es klappt.“
Sein Debüt feierte Sager beim zweiten Punktspiel dieser Saison, dass er ohne Gegentor überstand. In der Zwischenzeit hat er schon das eine oder andere Mal hinter sich greifen müssen. Zum Training und zu Spielen kommt er mit dem Fahrrad von der Flüchtlingsunterkunft, in der er noch wohnt, er sucht aber eine Wohnung in Stadtkern-Nähe. Nicht nur beim Fußball ist er fleißig und immer beim Training dabei, auch beim Deutschlernen macht er Fortschritte. Durch seine Liebe zum Fußball ist der Flüchtling mittendrin in seiner neuen Heimat beim FC Dynamo. Der Verein ist bekannt für seine Integrationsbereitschaft. Bereits im Sommer 2015 war der Verein der erste im NFV-Kreis Lüneburg, der Fördermittel aus der Flüchtlingsinitiative „1:0 für ein Willkommen“ des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erhielt. Heute besteht die zweite Mannschaft zur Hälfte aus Flüchtlingen. Torwart Sager ist einer von ihnen – mit einer unglaublichen Geschichte.