Ex-Nationalspieler Maurizio Gaudino hat einen neuen Job. Der frühere Bundesligaprofi, der für den VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt, Waldhof Mannheim und den VfL Bochum 294 Erstligapartien absolvierte und auch für den englischen Spitzenklub Manchester City am Ball war, ist ab sofort Sportlicher Leiter beim Nordost-Regionalligisten FSV Wacker Nordhausen, bei dem in Torwarttrainer Tomislav Piplica ein weiterer früherer Bundesligaprofi unter Vertrag steht. Nach nur einem Jahr in gleicher Position beim ehemaligen Zweitligisten und aktuellen Oberligisten SSV Reutlingen stellt sich der heute 49-jährige Gaudino einer neuen Herausforderung.
Im aktuellen FUSSBALL.DE Regionalliga-Interview der Woche spricht Maurizio Gaudino, der seit vielen Jahren auch eine eigene Spielerberateragentur betreibt, über die Gründe für seinen Abschied aus Reutlingen, seine neue Tätigkeit bei Wacker Nordhausen, die große Entfernung zu seiner Familie und die EM in Frankreich.
FUSSBALL.DE: Nach nur einem Jahr als Sportlicher Leiter des Oberligisten SSV Reutlingen zogen Sie einen Schlussstrich, obwohl die Zusammenarbeit für mehrere Jahre geplant war. Wieso, Herr Gaudino?
Maurizio Gaudino: Ich habe früh erkannt, dass ich meine Ziele in Reutlingen nicht zu 100 Prozent verwirklichen kann. Der Wille, professionellere Strukturen im Verein zu schaffen, um mittelfristig auch sportlich wieder besser dazustehen, war nicht immer zu erkennen. Es gab kaum Weiterentwicklung. Das ist schade, weil sich zum Beispiel das Stadion mit einer Kapazität von über 15.000 Zuschauern bereits auf Zweitliga-Niveau befindet.
"Die Entscheidung, nach Nordhausen zu wechseln, fiel mir alles andere als leicht"
Es war Ihr erster Job als Sportdirektor. Was haben Sie mitgenommen?
Gaudino: Insgesamt war es eine positive Erfahrung. Ich habe einen tieferen Einblick darin bekommen können, wie ein Verein im Amateurbereich funktioniert. Außerdem war ich durch mein erstmaliges Engagement als Sportdirektor auch indirekt auf dem Markt. (lacht)
Und der FSV Wacker Nordhausen schnappte zu! Wie kamen Sie mit dem Verein aus der Regionalliga Nordost in Kontakt?
Gaudino: Im Winter habe ich den FSV-Präsidenten Nico Kleofas bei einer Veranstaltung eines gemeinsamen Freundes in Frankfurt zufällig getroffen. Dort kamen wir ins Gespräch und haben - wie es unter Fußballverrückten nun einmal so ist - sofort angefangen, uns über Fußball zu unterhalten. In den folgenden Wochen und Monaten erzählte er mir mehr über den FSV Wacker und konnte mich von der Vereinsstruktur sowie vom Konzept überzeugen.
Nordhausen spielte in der vergangenen Saison lange um die Meisterschaft mit, wurde Dritter. Mit welcher Zielsetzung startet der FSV in die anstehende Spielzeit?
Gaudino: Ein genaues Ziel geben wir nicht aus. Mit Josef Albersinger als neuen Trainer, mich als neuen Sportdirektor und einem rundum erneuerten Kader geht es erst einmal darum, als Team zusammenzuwachsen und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen. Außerdem kenne ich die Liga - zugegeben - noch nicht in- und auswendig und muss die Qualitäten der Gegner erst einmal kennenlernen und analysieren. Es ist aber Fakt, dass Nordhausen jetzt zweimal in Folge die Saison als Tabellendritter abgeschlossen hat. Wir wollen wieder eine gute Rolle spielen und oben dabei sein.
Hatten Sie bei der Trainerwahl bereits mitentschieden?
Gaudino: Ich habe Nico Kleofas lediglich einige Vorschläge genannt. Josef war einer davon. Die Entscheidung hat aber der Präsident alleine getroffen.
Albersinger arbeitete zuletzt als U 17-Trainer des TSV 1860 München. Warum ist er die richtige Wahl?
Gaudino: Vor seinem Engagement in München hat Josef viele Jahre die zweite Mannschaft des FC Ingolstadt trainiert. Dabei hat er mit vielen jungen, aber auch einigen erfahrenen Spielern gearbeitet. Es ist wichtig, dass die Balance zwischen Jung und Alt stimmt. Dafür ist Josef der perfekte Mann.
Als Ex-Bundesligaprofi stehen Sie häufiger in der Öffentlichkeit als fast jeder Regionalligist. Kann das ein Vorteil für Ihren neuen Verein sein?
Gaudino: Das werden wir sehen. (lacht) Ich hoffe, dass ich dem Klub helfen kann, erfolgreicher und bekannter zu werden. Alles, was ich in meiner Zeit als Fußballprofi erlebt habe, versuche ich weiterzugeben.
Erst am Sonntag waren Sie im Doppelpass beim TV-Sender Sport1 zu Gast. Thema war die Europameisterschaft in Frankreich. Wie fällt Ihr Fazit zur EM aus?
Gaudino: Positiv war, dass die Stadien immer voll waren und es größtenteils friedlich blieb. Die Ausschreitungen zu Beginn der EM klammern wir dabei einmal aus. Allerdings finde ich - und das war auch die allgemeine Meinung meiner Kollegen im Doppelpass -, dass der Funke nicht so übergesprungen ist, wie beispielsweise bei der WM 2006. Wobei ich dazu fairerweise sagen muss, dass 2006 schwer zu toppen war. Damals passte alles - außer, dass Deutschland nicht über den dritten Platz hinauskam.
Neben Ihrer Tätigkeit als Sportlicher Leiter leiten Sie seit vielen Jahren Ihre eigene Spielerberateragentur in Stuttgart. Sind die Jobs trotz der großen Entfernung weiterhin miteinander vereinbar?
Gaudino: Darüber habe ich lange nachgedacht. Als ich noch in Reutlingen gearbeitet habe, war das kein Problem. In Stuttgart war ich in weniger als einer halben Stunde. Auch meine Familie in München war noch in Reichweite, sodass ich immer mal wieder über das Wochenende nach Hause fahren konnte. Jetzt ist alles anders. Nordhausen liegt rund 440 Kilometer von Stuttgart entfernt, nach München sind es 500 Kilometer. Die Entscheidung, nach Nordhausen zu wechseln, fiel mir alles andere als leicht. Zusammen mit meiner Familie habe ich aber den Entschluss gefasst, diesen Schritt zu gehen. Es wird so sein, dass ich mich ab sofort auf meine Arbeit als Sportlicher Leiter konzentrieren werde. Selbstverständlich werde ich aber - wie bisher auch - für meine Spieler jederzeit erreichbar sein und sie weiterhin unterstützen. Das Tagesgeschäft wird von meinen Mitarbeitern weitergeführt. Sie werden nahtlos an der bisherigen Philosophie festhalten und für die Spieler ändert sich nichts an der Beratung sowie Betreuung.
Sie waren Fußballprofi, Spielerberater, sind jetzt Sportlicher Leiter. War es nie ein Thema, Trainer zu werden?
Gaudino: Nein, zumindest nicht langfristig. Beim SV Waldhof Mannheim war ich Ende 2004 beispielsweise für einige Spiele Interimstrainer. Es hat auch Spaß gemacht. Allerdings habe ich nie die große Leidenschaft für den Trainerjob entwickelt. Und wenn das nicht passiert, dann sollte man der Arbeit auch nicht nachgehen. Ich finde es reizvoller, den Trainer zu installieren, den Kader zusammenzustellen und die Strukturen im Verein zu verbessern. Darauf freue ich mich jetzt auch in Nordhausen.
Autor/-in: Christian Knoth/mspw