Er jubelt mit den Torjägern Ailton und Mohamadou Idrissou, steht mit Rockstar Pete Doherty auf der Bühne und stachelt Fußballfans mit lautem Getöse an. Klingt nach einer echten Rampensau. Doch die Rede ist von einem echten Rampen-Elefanten - dem Grotifanten vom KFC Uerdingen.
"Die Fans haben gesagt: 'Bossi, Du musst es machen!' Somit war ich der Grotifant"
Sein Verein spielt inzwischen nur noch in der Oberliga Niederrhein . Doch das Maskottchen gibt auch in der fünften Spielklasse einen erstklassigen Entertainer. Der Grotifant rennt vor jedem Heimspiel aus den Katakomben, stampft bei versiebten Großchancen wütend auf den Rasen und ist Stammgast in Uerdinger Jubeltrauben. Borussia Dortmunds Biene Emma oder Bär Bernie vom FC Bayern können nur neidisch nach Krefeld blicken. Der Dickhäuter aus der Grotenburg liegt in Sachen Popularität weit vor den Bundesliga-Maskottchen.
Dafür hat in erster Linie Andreas Bosheck gesorgt. Es war in der Saison 2003/2004, als der Edelfan einen Familienausflug in die Grotenburg machte. Zu dieser Zeit fehlte dem Verein ein Maskottchen am Spielfeldrand, und das missfiel Boshecks Tochter. „Wir wollten den Grotifanten deshalb wiederbeleben und haben ein Kostüm gebastelt“, erzählt der Krefelder im Gespräch mit FUSSBALL.DE . Der Kopf des Maskottchens ähnelte zunächst eher einer Maus. Doch mit einem Rüssel und größeren Ohren nahm der Grotifant Gestalt an.
Bundesliga-Aufstieg gefeiert
Nun fehlte noch das Innenleben. „Die Fans haben gesagt: ‚Bossi‘, Du musst es machen. Und somit war ich der Grotifant “, erzählt Bosheck, den die meisten Anhänger des KFC Uerdingen nur unter seinem Spitznamen kennen. Es war eine logische Wahl. Bosheck hatte alle Höhen und Tiefen des Vereins mitgemacht. 1975 feierte er als kleiner Bub den Bundesliga-Aufstieg. Damals hieß der Klub noch Bayer Uerdingen und setzte sich in den entscheidenden Spielen gegen den FK Pirmasens durch.
Als Jugendlicher sah Bosheck alle legendären Spiele im Stadion. Das 7:3 im Europapokal gegen Dynamo Dresden ist für ihn ein unvergessliches Erlebnis. Bosheck jubelte auch, als Uerdingen im DFB-Pokal den VfB Stuttgart mit 6:4 nach Verlängerung besiegte. Der heutige Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff traf damals doppelt. Und Bosheck erlebte den größten Triumph der Vereinsgeschichte mit – das 2:1 im Pokalfinale gegen Bayern München. Den Siegtorschützen Wolfgang „de Cup“ Schäfer vergöttert er seitdem. „Das ist mein absoluter Lieblingsspieler, auch weil er ein so bodenständiger Typ geblieben ist“, erzählt Bosheck.
Als der Fan das erste Mal im Grotifanten -Kostüm an der Linie stand, war die große Uerdinger Zeit längst vorbei. Bayer hatte sich als Sponsor zurückgezogen, es gab ständig finanzielle Probleme im Verein. Der KFC spielte in der Regionalliga Nord. Boshecks Premiere war aber eine Partie im Niederrheinpokal. Rivale Fortuna Düsseldorf war an diesem Februar-Abend in der Grotenburg zu Gast. Für Bosheck wurde die Partie zum Spießrutenlauf. Er musste sich Schmähungen aus dem Fortuna-Block gefallen lassen und nach der Niederlage vor gegnerischen Fans in die Katakomben flüchten. Doch Bosheck pfefferte sein Kostüm nicht in die Ecke. Er zog es jetzt jedes Heimspiel an.
In der folgenden Saison geriet der Grotifant in die Schlagzeilen. Erneut spielte Fortuna Düsseldorf in der Grotenburg. Erneut im Niederrheinpokal. Erneut gewann der Gast. Nach dem Spiel lieferten sich KFC-Spieler Ilia Gruev und Fortuna-Torwart Carsten Nulle ein Wortgefecht. Bosheck wollte nach eigener Aussage schlichten, doch das wurde ihm zum Verhängnis. „Nulle hat zu mir gesagt: ‚Dir wollte ich schon immer mal den Kopf abreißen.‘ Und dann hat er mich attackiert“, erzählt der Krefelder. Der Vorfall mit Nulle begleitete Bosheck längere Zeit. Der Grotifant war nicht mehr nur der niedliche Glücksbringer. Er war das Maskottchen, das in einen Streit verwickelt war.
Diese Geschichte holte Bosheck im September 2015 wieder ein. In der Grotenburg gab es das Oberliga-Derby zwischen dem VfR Krefeld-Fischeln und dem KFC . Nach einem Uerdinger Tor sollte das Maskottchen auf den Fanzaun klettern und die Stimmung weiter anheizen. Doch dann kam es zum Eklat: Ein Fan klaute Bosheck den Elefantenkopf. Zeitungen und Internetportale – sogar ein chinesisches – berichteten später vom prügelnden Maskottchen. Das ärgert Bosheck. Er erzählt seine Version der Geschichte: „Ich war wütend und wollte den Dieb zu Rede stellen. Doch dann haben mich Leute zurückgehalten. Als ich wieder an meinem Platz war haben sich schon die Ultras mit neutralen Zuschauern geprügelt.“
4000 Euro für drei Kostüme
Bosheck war nach den negativen Berichten fix und fertig. Er überlegte, eine Pause einzulegen. Doch im nächsten Heimspiel stand der Grotifant wieder am Rand. Nach dem Sieg gegen den TV Kalkum-Wittlaer sang die Kurve „‘Bossi‘, du bist ein Uerdinger“ – und der Mann im Kostüm vergoss Tränen der Rührung.
In diesem Augenblick wurde Bosheck mal wieder klar, dass sich der ganze Aufwand doch lohnt. Im Laufe seines Grotifanten -Lebens hat er schon viel in sein Hobby investiert. 4000 Euro zahlte der mittlerweile 47-Jährige für die nun insgesamt drei Kostüme aus eigener Tasche. Zudem ist Bosheck auch außerhalb der Grotenburg als Maskottchen im Einsatz. Er geht zu Kinderfesten und ist Überraschungsgast bei Hochzeiten. Und wenn der glühende KFC-Fan Pete Doherty und „The Libertines“ ein Konzert geben, steht er als Grotifant schon mal mit auf der Bühne.
Am liebsten rockt das Maskottchen aber mit den KFC-Spielern. An die Aufstiegsfeiern denkt Bosheck gerne zurück. Als Stürmer Emrah Uzun den Grotifanten mit Champagner übergoss, blieb der Mann im Kostüm cool. Wozu gibt es schließlich Waschsalons? Bosheck sehnt sich schon nach der nächsten Champagner-Dusche. Mohamadou Idrissou und Co. sollen seinen KFC in dieser Saison zur Meisterschaft schießen. Bosheck träumt sogar vom Doppelaufstieg „Wenn ich als Maskottchen Spiele in der Dritten Liga sehen könnte, wäre das schon klasse“, sagt. Sollte der Verein dieses Ziel verfehlen, wird es um Bosheck mit Sicherheit nicht ruhiger. Er sorgt beim KFC in jeder Spielklasse für Stimmung.
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