Was kann der Fußball vom Handball lernen? Über diese Frage diskutierte ganz Deutschland nach der letzten Handball-WM. Der FC Hevesen Minden wollte es genau wissen. Anlässlich des 100-jährigen Vereinsjubiläums trat der Schaumburger Kreisligist gegen die Bundesliga-Handballer des GWD Minden in einem Freundschaftsspiel an. Im ungewöhnlichen Vergleich behielten die Handball-Profis mit 3:2 die Oberhand.
"Bundesligist entgeht nur knapp einer Blamage!" So würde die Schlagzeile normalerweise lauten, wenn ein Erstligist gegen einen Kreisligisten nur mit einem Tor Unterschied gewinnt. Doch der GWD Minden spielt bekanntlich nicht in der Fußball-, sondern in der Handball-Bundesliga. Daher wäre es unangebracht, nach dem 3:2-Testspielsieg vor 150 Zuschauern auf der Achumer Wiese beim FC Hevesen die üblichen Textbausteine zu bemühen. Im Gegenteil: Die Bundesliga-Handballer feierten den Sieg über Hevesens Fußballer noch lange nach Schlusspfiff mit lauter Musik in der Kabine.
Für die GWD-Handballer war es das erste Testspiel im Rahmen der Vorbereitung auf die Handball-Saison. "Meine Jungs spielen sehr gerne Fußball. Die Veranstaltung war ein schöner Aufgalopp. Wir haben sehr viel Spaß gehabt", sagte Mindens Trainer Frank Carstens. Der kleine Fußballverein aus dem Bückeburger Vorort Hevesen wollte vor allem seinen etwa 150 Zuschauern etwas zum 100-jährigen Vereinsjubiläum bieten. Da passte es perfekt, dass die Handballer aus dem nur 15 Kilometer entfernten Minden einmal jährlich mit einer Fußballmannschaft die Kräfte messen.
Stärke bei Standards
"Als die Profis mit ihren Ferraris vorbeigefahren sind, habe ich nur gestaunt, mehr aber nicht"
"Wir möchten uns nochmal beim GWD dafür bedanken, dass er mit dem kompletten Kader und ohne Gage angetreten ist", freute sich Hevesens Geschäftsführer Lars Deppe, der jedes Mindener Heimspiel besucht und das kuriose Aufeinandertreffen im Handball-Trikot verfolgte. Den letztjährigen Vergleich mit einer Fußballmannschaft gewann der Bundesligist ebenfalls – mit 2:1 beim Bezirksligisten
SV Kutenhausen-Todtenhausen .
Zunächst taten sich die Handballer auf dem ungewohnten Dorfplatz schwer. Zeitweise dominierte der Kreisligist die Profis. In der 6. Minute schoss Hevesens Julian Seele seine Mannschaft nach einem schönen Doppelpass mit Tim-Lucas Vauth in Führung. Zu Gute kam dem Bundesligisten jedoch, dass Hevesens Co-Trainer Christopher Gerstenberg, der den urlaubenden Chefcoach Denis Reinhardt vertrat, zur Pause - Spielzeit war wie beim Handball zweimal 30 Minuten - komplett durchwechselte. "Ich wollte jedem Spieler die Möglichkeit geben, so ein Spiel mal mitzuerleben. Das Ergebnis war für uns zweitrangig", meinte er.
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Das 1:1 durch Kevin Gulliksen in der 36. Minute beantworteten die Fußballer postwendend durch Pit Jessen (40.). Doch nicht zuletzt bei Standards hatten die Mindener meist die Lufthoheit. Der 1,98 Meter große Rückraumspieler Christoffer Rambo sorgte immer wieder für Verwirrung, schoss in der 42. Minute den 2:2-Ausgleich. Das frenetisch bejubelte Siegtor in der 49. Minute fiel durch ein Eigentor nach einer Ecke.
Erfahrung aus Barcelona
"Minden hat sehr unorthodox gespielt. Mal waren sechs Spieler vorne, ein anderes Mal nur zwei. Für uns waren sie dadurch schwer auszurechnen", beschrieb Hevesens Timo Engwer seine Eindrücke, sparte aber nicht mit Lob: "Da waren schon einige gute Kicker dabei." Mindens Torwart Miljan Pusica deutete einige Male an, dass er früher in der serbischen Fußball-Jugendnationalmannschaft kickte. Kurios: In der Handball-Bundesliga spielt Pusica in der Verteidigung. Dafür räumte der eigentliche Keeper Espen Christensen auf dem Rasen als Sechser im Mittelfeld auf.
Für die spielerische Note sorgte Juri Knorr. Vor der Saison wechselte der Junioren-Nationalspieler aus der Handballabteilung des spanischen Meisters FC Barcelona zu den Westfalen, gilt als hoffnungsvolles DHB-Talent. Doch der 19 Jahre alte Sohn des früheren Handballers Thomas Knorr hätte auch eine Karriere als Fußballer einschlagen können. Bis zur B-Jugend spielte er beim VfB Lübeck , entschied sich jedoch für den Handball: "Ich habe es lieber, wenn ich alle 30 Sekunden am Ball bin. Als Kicker rennt man auch mal rauf und runter, ohne einmal an den Ball zu kommen." Beim FC Barcelona trainierte er auf demselben Gelände wie die Fußballstars, war auch bei einigen Spielen im Camp Nou zu Gast. Zu Messi und Co. hatte er jedoch kaum Kontakt: "Als die Profis mit ihren Ferraris vorbeigefahren sind, habe ich nur gestaunt, mehr aber nicht."
Bleibt die Frage, was Fußballer und Handballer voneinander lernen können. "Fußballspieler verfügen über eine sehr gute Grundlagenausdauer. In den letzten Minuten haben wir schon etwas gekeucht", fand Knorr. Minden-Trainer Carstens erkannte zudem weitere Unterschiede. Der Fußballer könne lernen, nach einem Körperkontakt "etwas früher aufzustehen, wenn er getroffen wird". Für einen Handballer sei es ungewohnt, dass der Schiedsrichter bei Ellenbogenchecks sofort auf Foul erkenne: "Meine Jungs empfinden das als ganz normale Berührung. Aber die Regeln sind im Fußball nunmal andere als im Handball."
Auch mit Blick auf die Arbeit mit der eigenen Truppe sammelte Carstens wichtige Erkenntnisse: "Der FC Hevesen hat unsere Passwege sehr gut zugestellt. Ordnung im Raum ohne Blickkontakt zum Gegenspieler wird auch im Handball immer wichtiger!"