Profi auf zweitem Bildungsweg: Nachdem Julian Gressel in der Jugend der SpVgg Greuther Fürth aussortiert worden war, konzentrierte er sich auf die Schule, machte ein Auslandsjahr in Amerika und spielte viel Golf und ein bisschen Landesliga-Fußball, unter anderem beim TSV Neustadt/Aisch. Durch ein Stipendium in den USA nahm die Karriere dann wieder Fahrt auf. Seit Januar 2017 spielt der 23-jährige Mittelfeldspieler für Atlanta United in der Major League Soccer (MLS). Am Samstag trifft er mit seinem Team auf Chicago Fire und Weltmeister Bastian Schweinsteiger.
Im FUSSBALL.DE -Interview spricht Gressel über seinen ungewöhnlichen Werdegang, wie es ist mit Weltstars wie Andrea Pirlo auf dem Platz zu stehen und warum er fürchtet, sich mit seinem Idol in die Haare zu bekommen.
Herr Gressel, was bedeutet das Spiel gegen Chicago Fire und Bastian Schweinsteiger für Sie?
Julian Gressel: Das Spiel steht bei mir zurzeit an erster Stelle. Schweinsteiger ist mein Idol und Lieblingsspieler. Seit er in der MLS (Major League Soccer) spielt, habe ich gehofft, dass ich einmal auf ihn treffe. Meine Mama hat mir sofort geschrieben als der Termin klar war. Wenn ich an das Spiel denke, bekomme ich Bauchkribbeln. Gegen einen Weltmeister zu spielen ist etwas ganz Besonderes.
"Irgendwie wird man eben doch zum Fan und will Bilder machen"
Werden Sie das Gespräch mit Bastian Schweinsteiger suchen?
Gressel: Ich will unbedingt Schweinis Trikot. Ich hoffe, dass wir uns vor dem Spiel oder danach auch ein bisschen unterhalten können. Und irgendwie wird man eben doch zum Fan und will Bilder machen. Für mich wird das ein ganz besonderes Spiel und ich hoffe, dass ich ihn auf dem Platz nicht umhaue oder wir uns in die Haare kriegen.
Hätten Sie nicht lieber einmal mit statt gegen ihn gespielt?
Gressel: Mit ihm in einer Mannschaft zu spielen, wäre natürlich geil gewesen. Aber alleine auf demselben Platz zu stehen mit Weltstars wie Andrea Pirlo, die man bisher nur aus dem Fernsehen kannte, das ist schon einmalig.
Wie wird man denn überhaupt Profifußballer in der MLS? Wie fing alles an?
Gressel: Puh, an den Anfang habe ich schon lang nicht mehr gedacht. Bei der SpVgg Greuther Fürth wurde ich nach der U 15 rausgeschmissen beziehungsweise einfach nicht mehr übernommen. Danach habe ich bei Quelle Fürth gespielt und bin für ein Jahr als Schüler nach Amerika gegangen. Dort habe ich aber gar nicht so viel Fußball gespielt, sondern viel Golf gespielt und andere Sportarten wie Lacrosse ausprobiert. Ich habe aufgehört mir selbst den Druck zu machen, unbedingt Fußballprofi zu werden und erkannt, dass das nicht alles im Leben ist. Ich wollte meine Schule fertig machen und studieren.
Also gar kein Fußball mehr?
Gressel: Doch, als ich nach Deutschland zurückgekommen bin, habe ich in meiner Heimat beim TSV Neustadt/Aisch gespielt. Erst in der A-Jugend und mit 17 Jahren dann in der Landesliga mit den ersten Herren. Mein damaliger Trainer, Petr Skarabela, ist dann zu Eintracht Bamberg in die Bayernliga gegangen und hat mich mitgenommen. Das hat mir noch einmal einen zweiten Schub gegeben und ich habe wieder daran geglaubt, Profi zu werden.
Wie kam dann der Sprung nach Amerika zustande?
Gressel: Ich bekam die Chance mit einem Fußballstipendium in Amerika zu studieren. So ließen sich Fußballkarriere und Studium perfekt kombinieren. Nach dreieinhalb Jahren hatte ich dann meinen Bachelor in Management und nahm am Draft zur MLS teil. In einem Auswahlverfahren wählen dabei alle MLS-Vereine Spieler von den verschiedenen Colleges aus. Das bedeutet, dass es dich von der Ost- bis an die Westküste und sogar bis nach Kanada verschlagen kann.
War Atlanta Ihr Wunschverein?
Gressel: Ich wäre überall hingegangen, aber als der Sprecher von Atlanta United damals meinen Namen ausgerufen hat, habe ich mich schon sehr gefreut. In Atlanta haben meine Freundin Casey und ich dann angefangen ein gemeinsames Leben aufzubauen. Sie ist mitgekommen, hat sich einen Job gesucht und wir sind zum ersten Mal zusammengezogen. Jetzt können wir hier eine Familie starten, wobei wir uns vielleicht erst einmal einen Hund anschaffen (lacht).
Klingt ganz so, als wollen Sie in den USA sesshaft werden. Vermissen Sie Deutschland?
Gressel: Nach Hause habe ich jeden Tag Kontakt und es gibt immer noch Phasen in denen es schwer ist, nicht mehr in Deutschland zu sein. Das Heimweh ist immer irgendwie da.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, aus sportlichen Gründen zurück nach Deutschland zu kommen?
Gressel: Wenn ich mich weiter verbessere und irgendwann von einem deutschen Verein die Chance bekomme, wäre das fantastisch. Aber selbst wenn ich die nächsten zehn Jahre in der MLS spiele, würde für mich ein Traum in Erfüllung gehen. Am Samstag um 15:30 Uhr in der Bundesliga auflaufen zu können – das ist so etwas wie ein Traum innerhalb des Traumes.