Vorbild? Nein, das sei sein Bruder nie gewesen. Sagt Jonas Hector über Lucas Hector. Harter Tobak? Nein, ist es auch nicht. Denn der Nationalspieler misst seinem Bruder, der heute in der zweiten Mannschaft des SV Auersmacher Tore am Fließband erzielt, durchaus eine Schlüsselrolle in seiner Karriere bei. Welche, erzählen wir in der neuen Folge unserer Serie Familienbande.
Ist es ein Schmunzeln oder ein leicht genervter Blick? Die Brüder kennen die Geschichte auf jeden Fall. „Die Mama packt sie das ein oder andere Mal aus“, erzählt Jonas Hector . Und sie geht so: Im Oktober 1992 sollte die F-Jugend des SV Auersmacher in Sitterswald antreten. Doch neben Lucas Hector standen nur fünf weitere Spieler zur Verfügung. Einer fehlte, um eine komplette Mannschaft stellen zu können. Also bekam der kleine Jonas ein Trikot übergestreift.
"Ich gehe ins Training, wann es mir passt"
Das Spiel konnte stattfinden. Wenn auch weitgehend ohne Jonas Hector. Der, so die Überlieferung, es vorzog, Türmchen aus dem feinen Sand zu bauen. Ungeachtet dieser Startschwierigkeiten änderte sich sein Fokus. Ball statt Burg hieß es immer mehr. Vor allem dank des knapp eineinhalb Jahre älteren Bruders. „Vorbilder gab es andere für mich. Wenn Lucas sechs, sieben Jahre älter gewesen wäre, wäre das vielleicht anderes gewesen. So war es der Ansporn, besser zu sein als er“, sagt der Abwehr- und Mittelfeldspieler des 1. FC Köln.
Von dieser Motivationshilfe profitierte Jonas Hector bis in die A-Jugend, aus der er in die Erste Mannschaft mit seinem Bruder hochgezogen wurde. Bis in die Oberliga brachte ihn das – und dann in die Bundesliga und die Nationalmannschaft. Mittlerweile gibt es für den Profi andere Reizpunkte. Der Bruder hat seine Pflicht erfüllt.
Auch wenn es schön in die Geschichte passen würde, es liegt nicht daran, dass Lucas Hector mittlerweile fußballerisch ein bisschen kürzer tritt. Eine schwere Verletzung warf ihn zunächst zurück. Sprunggelenk kaputt, Wadenbein gebrochen, Syndesmoseband gerissen. Sich an die Erste Mannschaft wieder heranzukämpfen, war schwer. Schmerzen begleiteten ihn. Viermal die Woche auf dem Platz zu stehen, bedeuteten zudem, einen großen Aufwand betreiben zu müssen. Die Konsequenz: Er beendete seine Karriere.
Allerdings nur kurz. „Ich habe mich bequatschen lassen“, sagt er. Seither spielt er für die Zweite Mannschaft in der Verbandsliga Süd/West . Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Liebe für den Sport. Vereinstreue – seit 1992 trägt er ununterbrochen das Trikot des SV Auersmacher. Und weil es angenehm ist und funktioniert. Leistungsdruck ade. „Ich gehe ins Training, wann es mir passt“, sagt er.
Außerdem lernte Lucas Hector den Fußball von einer neuen Seite kennen. Eigentlich war er als Innenverteidiger gesetzt. Jetzt wurde er zum Angreifer umgeschult. Und zwar mit Erfolg. „Es läuft überraschend gut“, sagt er. Was sich angesichts von 20 Treffern in 17 Spielen als Understatement entpuppt. Aktuell Platz zwei in der Torjägerliste . Weshalb der 27-Jährige auch korrigierend hinterher schiebt: „Damit hatte keiner gerechnet.“
Verkehrte Rollen
Doch einmal in Fahrt will Lucas Hector anknüpfen, wo er vor der Winterpause aufgehört hat. „Ich will noch einige Tore machen“, sagt er. Schließlich sei Platz vier oder fünf auch noch erreichbar. Derzeit belegen die Auersmacher Rang 7. Am Samstag beginnt der zweite Teil der Saison mit dem Heimspiel gegen den achtplatzierten SV Wahlem-Niederlosheim.
Aber das reicht dann auch mit den sportlichen Ambitionen. „Ich habe einmal auf der Bank bei der Ersten Mannschaft gesessen. Das mache ich aber nur, wenn wirklich kein anderer zur Verfügung steht“, sagt er.
Ansonsten erfreut er sich daran, dass das Spiel in der Offensive „nicht mehr so laufintensiv“ ist. Und er die Zeit hat, um seinen Bruder zu unterstützen. „Wenn es geht, bin ich bei jedem seiner Spiele dabei.“ Die Strecke von Auersmacher nach Köln kennt er schon sehr gut. Zweieinhalb Stunden benötigt er für den Weg. Schneller kommt er zu keinem anderen Bundesliga-Spielort. So haben sich die Zeiten in der Familie Hector mittlerweile geändert. Denn jetzt ist der kleine Bruder Ansporn für den großen Bruder.
Unser Interview mit Lucas Hector:
Autor/-in: Niels Barnhofer