Ein spektakulärer Coup? Oder eine spektakuläre PR-Aktion? Spektakulär war auf jeden Fall die Schlagzeile vor einigen Wochen: „Der FSV Luckenwalde verpflichtet Mame Diouf“. Mame Diouf? Wirklich jenen Spieler, der während seiner Zeit bei Hannover 96 für Aufsehen gesorgt hat? Der dann zu Stoke City in die Premier League gewechselt ist? Dessen Marktwert bei zehn Millionen Euro liegen soll? Dieser Mame Diouf steht nun bei einem gegen den Abstieg kämpfenden Nordost-Regionalligisten unter Vertrag?
Viele Fragen, eine verwirrende Antwort: Ja und nein. Mame Diouf spielt tatsächlich seit September für den FSV Luckenwalde . Allerdings nicht Mame Biram Diouf, der senegalesische Nationalspieler. Sondern dessen jüngerer Bruder Mame Mbar Diouf. Der größte Unterschied liegt in ihrem Fall im Detail, nämlich in ihrem zweiten Vornamen. „Dass wir beide Mame heißen, ist eine afrikanische Eigenart. Namen haben meist einen familiären Bezug. In unserem Fall geht das auf unsere Großmutter zurück“, sagt Mame Mbar Diouf. Früher in ihrem Dorf war es ganz einfach, sie auseinander zu halten. Mame Biram Diouf hatte den Spitznamen Diego Maradona, Mame Mbar Diouf haben sie wegen seines starken linken Fußes beim Kicken einfach nur Adriano gerufen.
"Dass wir beide Mame heißen, ist eine afrikanische Eigenart"
Der 24-Jährige hat bisher eine ziemlich wechselhafte Karriere hinter sich. Mame Mbar Diouf hatte als Kind zunächst beim senegalesischen Hauptstadtklub ASC Diaraf mit dem Fußball begonnen – zusammen mit seinem Bruder. Als dieser nach Norwegen zu Molde FK wechselte, ging er mit nach Europa. Mame Biram Diouf, der große Bruder also, schlug sofort ein und war mit zehn Treffern bester Torjäger der Mannschaft. Auch in der Folge konnte er überzeugen. Plötzlich wollte halb Europa ihn verpflichten: der FC Groningen, der FC Arsenal, West Bromwich, Feyenoord Rotterdam, RB Salzburg. Aber er entschied sich für Manchester United. Trainer dort: Der große Alex Ferguson.
„Mein Bruder hatte eine richtig gute Zeit in Molde. Ich war damals gerade 18 Jahre alt und leider noch nicht so weit. Er war mir schon immer ein oder zwei Schritte voraus. Er ist mein Vorbild“, sagt Mame Mbar Diouf. Auf den ersten Blick ist der Weg für ihn noch ziemlich weit. Aber man weiß ja, wie schnell es im Fußball manchmal gehen kann. Ein paar Tore, ein paar Kontakte und etwas Glück zum richtigen Zeitpunkt sind neben aller fußballerischen Qualität auch entscheidend.“
Mit Jörg Heinrich in Luckenwalde
Mame Mbar Diouf hat den Traum vom Profifußball noch nicht aufgegeben. Warum auch? In Luckenwalde – die Mannschaft wird übrigens vom früheren deutschen Nationalspieler Jörg Heinrich trainiert – trifft er im Moment ganz gut. Vier Saisontore hat er bislang in der Regionalliga Nordost erzielt. „Ich fühle mich wohl hier. Es ist zwar nur die vierte Liga, aber das Niveau ist in Ordnung. Ich möchte hier hart arbeiten, damit wir unsere Ziele erreichen. Gleichzeitig möchte ich mich weiterentwickeln“, sagt Diouf.
Luckenwalde soll für ihn also die Bühne sein, um die nächsten Schritte nach oben zu kommen: „Die meisten Jungs hier haben den Traum, in der 3. Liga oder der 2. Bundesliga zu spielen. Es ist nicht einfach, dorthin zu kommen. Aber ich gebe alles dafür. Mein Bruder hat doch gezeigt, dass es möglich ist. Ich möchte gerne in seine Fußstapfen treten.“
Der Kontakt zwischen den beiden ist noch immer sehr eng. Sie stehen eigentlich täglich im Austausch – zum Beispiel per WhatsApp ist das ja heutzutage kein Problem mehr. Aber das reicht ihnen nicht. „Ungefähr einmal im Monat besuche ich meinen Bruder in England“, sagt Mame Mbar Diouf. Zuletzt war er Anfang Dezember dort. Es war ein besonderer Anlass: Sein Bruder ist am 1. Dezember Vater geworden. „Er hat zusammen mit seiner Frau ein Mädchen bekommen. Sie heißt Gnilane. Das ist der Name meiner Mutter.“
Als er das erzählt, wird seine Stimme etwas leiser. Es ist schließlich gerade einmal gut zehn Wochen her, als die Familie einen schweren Schicksalsschlag verkraften musste: Dioufs Mutter war während einer Pilgerfahrt nach Mekka bei einer Massenpanik verstorben. Insgesamt waren bei dieser Katastrophe mehr als 750 Menschen ums Leben gekommen. Andere Quellen sprechen von mehr als 1800 Toten. Da rückt der Fußball dann doch ziemlich weit in den Hintergrund. Aber die Familie rückt noch enger zusammen. Das trifft natürlich auch auf Mame Diouf und Mame Diouf zu.
Autor/-in: Martin Schwartz