"Wir würden uns freuen, wenn er trifft." Diese Botschaft hatte Marcel Brenneis, Jugendkoordinator des Ludwigshafener SC, an Nadiem Amiri geschickt. Gesagt, getan. Amiri glänzte bei den Olympischen Spielen in Tokio mit bisher zwei Treffern und ist einer der Fixpunkte in der Offensive von Team Deutschland. Der 24-Jährige lernte im Verein seiner Heimatstadt Ludwigshafen das Fußballspielen, bevor er als E-Junior in das Leistungszentrum des 1. FC Kaiserslautern wechselte.
Über Waldhof Mannheim gelang ihm der Wechsel zur TSG 1899 Hoffenheim, die ihrerseits eine enge Verbindung zu Amiris Heimatverein besitzt. Der Ludwigshafener SC ist beim gemeinnützigen Projekt "Anpfiff ins Leben” einer von elf Partnervereinen, die von der Dietmar-Hopp-Stiftung gefördert werden. Um neben der Schule auch den Sport, das Soziale und das Berufliche unter einen Hut zu bringen, wurde das Projekt 2001 gegründet.
Es soll Kindern und Jugendlichen helfen, die nicht erst mit Beginn der Pandemie vor stetig wachsenden Herausforderungen stehen. Durch das Fortschreiten der Digitalisierung und den Einfluss der Sozialen Medien verlagern sich die Freizeitaktivitäten vom Spielen mit Freund*innen an der frischen Luft hin zum Daddeln im eigenen Zimmer. Hierbei kann der Sport in einer Gemeinschaft ein Rettungsanker sein. Auch die späteren beruflichen Aussichten werden vielfältiger, gleichzeitig aber auch unübersichtlicher.
Marcel Brenneis fungiert beim Ludwigshafener SC federführend als festangestellter Jugendkoordinator der Leistungsmannschaften. In erster Linie kümmert er sich um den Bereich Sport. Seine beiden Kolleginnen Petra Kraus (Schule) und Corinna Glogger (Beruf) komplettieren das Dreigestirn.
"Der Name Amiri ist noch immer präsent"
Unterstützung bei der Berufsorientierung
Im Jugendförderzentrum Ludwigshafen können alle Spieler*innen des Ludwigshafener SC die dortigen Angebote wahrnehmen. Ab 14 Uhr beginnt die sogenannte "Lernzeit": Schüler*innen können nach der Schule vor Ort ihre Hausaufgaben unter Beaufsichtigung erledigen und lernen. Dafür haben sie eine Stunde Zeit. Eine Gruppe besteht aus vier bis fünf Teilnehmer*innen. Ab 17 Uhr wird Einzelnachhilfe angeboten. Brenneis zählt täglich 30 bis 40 Kinder und Jugendliche, die die Kurse besuchen.
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"Die Angebote werden sehr gut angenommen. Wir sind völlig ausgelastet", betont Brenneis, der seit 2018 Januar in dem Verein beschäftigt ist. Er weiß, dass der Verein die Schule trotz aller Bemühungen nicht ersetzen kann. Um den Spagat zwischen der Schule und dem späteren Berufsleben zu schaffen, bietet der Verein ab der U 15 ein Scouting an. Schülerinnen und Schüler werden zum aktuellen Lernstand befragt und äußern erste Berufswünsche. Zusätzlich gibt es weitere Angebote wie das Schreiben von Bewerbungen oder einer allgemeinen Studienberatung.
Wie zuletzt am Beispiel eines afghanischen Flüchtlings, der in der U 17 zum Ludwigshafener SC gewechselt ist. "Nun hat er eine Ausbildung zum Elektriker angefangen", bestätigt Brenneis. Ein weiterer Schützling, den der Verein seit der D-Jugend unterstützt, habe nun im Rahmen seines Studiums beim Polizeidienst seine Bachelorarbeit geschrieben, so der Jugendkoordinator.
Stolz auf den Olympioniken
Sein Tagesgeschäft liegt dennoch auf dem grünen Rasen. Brenneis ist für die gesamte Jugendabteilung zuständig, bietet Fortbildungen für die Übungsleiter*innen auf dem Platz an. Dabei legt er großen Wert auf Sozialkompetenz. "Das Grundkonzept befindet sich unter dem Deckmantel von 'Anpfiff ins Leben'. Aber dennoch kann jeder seinen eigenen Schwerpunkt setzen", merkt er an. Ihm sei es daher besonders wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen nicht als Nummer gesehen werden. "Wenn jemand mal einen Hänger hat, darf er nicht fallen gelassen werden. Man muss die Gründe dafür hinterfragen, warum das so ist", betont Brenneis.
Für ihn war die fußballfreie Zeit "der Horror." Der Zustand war aus seiner Sicht "nicht zufriedenstellend". Dennoch habe er es gemeinsam mit dem Trainerteam geschafft, "eine Einheit zu werden". "Wir haben stets Online-Trainings angeboten, wodurch wir mit keinem den Kontakt verloren haben", erklärt der Koordinator. Seitdem haben "alle mit den Hufen gescharrt". Brenneis nimmt seit dem Wiederbeginn des Trainings- und Spielbetriebs eine große Freude und Euphorie wahr. "Wir müssen sowohl Kinder und Jugendliche als auch Funktionäre eher bremsen, um nicht zu viel zu machen", sagt er.
Als kleiner Knirps in Ludwigshafen angefangen, vertritt Nadiem Amiri nun die deutschen Farben bei Olympia. "Darauf sind wir natürlich stolz", freut sich Brenneis. Auch Weltmeister Andre Schürrle stammt aus der Ludwigshafener Talentschmiede. Wie Brenneis bestätigt, spielt Nadiems Neffe im Verein und auch seine Eltern wohnen unweit des Ludwigshafener Sportplatzes. Demnach ist "der Name Amiri noch immer präsent". Vielleicht kehrt der 25-Jährige schon bald mit einer olympischen Medaille in seine Heimatstadt zurück. Dafür ist am Mittwoch (ab 10 Uhr, live im ZDF und auf Eurosport) jedoch zunächst ein Sieg gegen die Elfenbeinküste nötig, um ins Viertelfinale einzuziehen.
Autor/-in: Marcus Mühlenbeck