Lehmann und die Elfmeter! Da war doch mal was? Bei der WM 2006 wurde der damalige deutsche Nationaltorhüter Jens Lehmann zum Helden, als er dank seines legendären „Spickzettels“ im Viertelfinale gegen Argentinien (5:3 nach Elfmeterschießen) die Versuche von Roberto Ayala und Esteban Cambiasso abwehrte und Deutschland damit ins Halbfinale brachte. Lehmanns Namensvetter Maximilian vom Habenhauser FV aus der Bremen-Liga sorgte ebenfalls als „Elfmetertöter“ für Furore. Zweimal in Folge wurde er im Verbandspokal zum Matchwinner und lässt den Fünftligisten jetzt vom Finaltag der Amateure und sogar vom DFB-Pokal träumen.
Seine fußballerische Ausbildung absolvierte der 26-jährige Lehmann beim großen Nachbarn SV Werder Bremen. Nach der U 16 wechselte er zum SC Weyhe, mit dem er in die B-Junioren-Bundesliga aufstieg. Seit der U 19 spielt Lehmann, der im Berufsleben als Rettungsassistent tätig ist, für den Habenhauser FV. Im Interview mit FUSSBALL.DE spricht Maximilian Lehmann über seinen Beruf als Rettungsassistent, seine Taktik bei Elfmetern, die historische Möglichkeit, Vereinsgeschichte zu schreiben, und über seine Vorbilder Oliver Kahn und Gianluigi Buffon.
FUSSBALL.DE: Nach den beiden gewonnenen Elfmeterschießen gegen die Landesligisten SV Lemwerder und TS Woltmershausen steht der Habenhauser FV im Viertelfinale des Bremer Verbandspokals. Von insgesamt sieben Schüssen der Gegner war nur einer drin. Hat Ihnen der Verein als Pokalheld schon ein Denkmal gebaut?
Maximilian Lehmann: Nein, das nicht. Vielleicht deshalb, weil immerhin zwei Schützen über das Tor geschossen hatten (lacht). Nach meinen drei gehaltenen Elfmetern im Achtelfinale gegen Woltmershausen überwog in der Kabine allerdings vor allem die Erleichterung, dass wir uns gegen eine klassentiefere Mannschaft nicht blamiert hatten.
"Beim Anlauf beobachte ich die Fußstellung des Schützen und entscheide mich erst im letzten Moment, wohin ich springe"
Gucken Sie die Schützen beim Elfmeter aus oder verfolgen Sie eine ganz andere Taktik?
Lehmann: Meiner Meinung nach bringt es nichts, wenn ich bei Elfmetern anfange zu spekulieren. Ich schaue mir den Schützen genau an, achte darauf, welche Ecke er anvisiert, wenn er sich den Ball hinlegt. Ich bleibe lange vor der Linie stehen und versuche, den Schützen zu verunsichern und den Ablauf zu verzögern, indem ich hochhüpfe und mit den Händen an die Latte klatsche. Beim Anlauf beobachte ich die Fußstellung des Schützen und entscheide mich erst im letzten Moment, wohin ich springe.
Haben Sie ein spezielles Trainingsprogramm?
Lehmann: Nach dem Training bekomme ich von meinen Mannschaftskollegen, die allesamt sichere Elfmeterschützen sind, regelmäßig die Dinger um die Ohren gehauen. Ich verlasse mich bei Strafstößen aber mehr auf mein Bauchgefühl. Oft ahne ich die richtige Ecke, aber wenn die Elfmeter scharf und präzise geschossen werden, hat man als Torwart kaum eine Chance.
Ihre Pokalbilanz ist eindrucksvoll. Klappt es auch in Meisterschaftsspielen?
Lehmann: In dieser Spielzeit gab es bislang erst einen Strafstoß gegen uns und der war drin. In den vergangenen Jahren konnte ich mich dagegen schon mehrfach auszeichnen.
Hat der Schütze oder der Torhüter beim Elfmeterschießen die besseren Karten?
Lehmann: Der Schütze kann bei einem Elfmeter doch nur verlieren. Es wird immer davon ausgegangen, dass der Ball im Netz landet. Der Torwart hat schon aus psychologischer Sicht die besseren Karten.
Bei der WM 2006 war Jens Lehmann gegen Argentinien der große Held. Haben Sie das Spiel gesehen?
Lehmann: Klar. Ich war damals sehr verwundert, als der berühmte Zettel, den Jens Lehmann aus seinem Stutzen hervorzauberte, die große Runde machte. Die Freude, dass Deutschland eine Runde weiterkam, war riesengroß.
War Jens Lehmann als Namensvetter Ihr Vorbild?
Lehmann: Eher nicht. Gianluigi Buffon und Oliver Kahn waren meine Idole. Kahn, weil er eine unglaubliche Ausstrahlung besaß und eine Mannschaft mit seiner unnachahmlichen Art mitreißen konnte. Er selbst stand immer unter Strom, konnte dadurch oft unhaltbare Bälle parieren. Bei Buffon ist vor allem die jahrzehntelange Konstanz besonders eindrucksvoll. Auch seine Vereinstreue zum italienischen Meister Juventus Turin, für den er vor seinem Wechsel zu Paris Saint-Germain insgesamt 17 Jahre inklusive Zwangsabstieg gespielt hatte, ist für das Profigeschäft, bei dem es um sehr viel Geld geht, schon ungewöhnlich.
Im Berufsleben sind Sie Rettungsassistent, kennen sich also mit Stresssituationen bestens aus. Wie hilfreich war die Ausbildung für Ihren sportlichen Werdegang?
Lehmann: Bahnunfälle, Gebäudebrände oder Kindernotfälle sind sehr ernste und oft tragische Geschichten. Ich spiele seit 20 Jahren Fußball und glaube nicht, dass mir die berufliche Ausbildung auf dem Platz geholfen hat. Es ist wohl eher umgekehrt. Denn die Anspannung und die Verantwortung, die ich auf dem Platz übernehme, helfen mir bei meinem Job. Am Ende muss man nicht nur auf dem Fußballplatz funktionieren.
Am Donnerstag wird das Viertelfinale des Verbandspokals ausgelost. Noch drei Siege und Habenhausen würde sich für den DFB-Pokal qualifizieren. Welchen Gegner wünschen Sie sich?
Lehmann: Unser Kapitän Philipp Schiller hat die Teilnahme am DFB-Pokal schon zweimal mit seinen ehemaligen Verein Bremer SV erlebt. Wenn man mit ihm darüber spricht, ist das noch einmal eine ganze andere Hausnummer als unsere alltäglichen Spieltage vor knapp 100 Zuschauern. Schön wäre, wenn wir eine lösbare Aufgabe zugelost bekommen, weil wir bei einem Sieg schon die erste HFV-Mannschaft in der Vereinsgeschichte wären, die in einem Halbfinale stehen würde. Für uns wäre die Teilnahme beim „Finaltag der Amateure“, der im TV bundesweit gezeigt wird, schon ein absolutes Highlight.
Was wollen Sie im Sport noch erreichen?
Lehmann: Mein persönliches Ziel ist die Teilnahme am DFB-Pokal oder ein Meistertitel. Ich hätte gerne noch eine Liga höher gespielt, wenn der Beruf nicht dazwischengekommen wäre. Durch meinen zwölfstündigen Schichtdienst ist dies aber unmöglich.
Autor/-in: Peter Haidinger/mspw