Kultkicker sind nicht immer die begnadetsten Talente, die mit ihren Tricks Massen faszinieren, sondern oft Fußballer mit großem Kämpferherz oder besonderem Teamgeist. Der FC Schalke 04 hat in seiner nunmehr 113-jährigen Vereinsgeschichte etliche dieser Typen hervorgebracht: den stets schweigenden „Meister“ Jiri Nemec, das österreichische Schlitzohr Edi Glieder oder den etwas anderen „Eurofighter“ Yves Eigenrauch, um nur einige zu nennen. Ein Kultkicker auf seine Weise war auch Sascha Wolf, der in der Saison nach dem Schalker UEFA-Cup-Sieg zu Bundesliga-Ehren kam. Sein Sohn Joel hat ebenfalls Stürmerblut in sich – die neueste Folge unserer Serie Familienbande.
Als der FC Schalke 04 am 21. Mai 1997 in Mailand sensationell den UEFA-Cup gewann, war auch er dabei: Sascha Wolf – allerdings nicht auf dem Rasen des Giuseppe-Meazza-Stadions, sondern in der Fankurve. 1996 kehrt der in Westerholt geborene und in Gelsenkirchen aufgewachsene Angreifer nach Schalke zurück. Schon in der Jugend spielt er für seinen Lieblingsverein, dem er sich nach seinen fußballerischen Anfängen beim Ückendorfer Vorortklub Fortuna Gelsenkirchen in der C-Jugend anschließt. „In der Schalker B-Jugend war zunächst Michael Skibbe mein Trainer und nachher Günther Thon, der Vater von Olaf“, erinnert sich Sascha Wolf.
Weil er auf Schalke nicht den Durchbruch schafft, kickt er beim DSC Wanne-Eickel und dann beim FC Rhade unter Trainer Klaus „Boxer“ Täuber in der Oberliga Westfalen, der damals höchsten Amateur-Spielklasse. Als Schalke wieder ruft, nimmt Sascha Wolf den Umweg der zweiten Mannschaft in der Oberliga auf sich, um sich seinen Traum von der Bundesliga doch noch zu erfüllen. Sein Trainer in der S04-Reserve ist Vereinslegende Klaus Fischer, Vize-Weltmeister, Torschützenkönig und ein Vollblut-Stürmer wie er.
Kreuzbandriss wirft ihn zurück
"Ich hatte keine Karte fürs Stadion und sogar mein Personalausweis war abgelaufen. Ich musste mich im Zug also immer verstecken oder schlafend stellen, wenn der Schaffner zur Kontrolle kam"
Für Wolf, mittlerweile Mitte 20 und mehr Kämpfertyp als feines Füßchen, ist es die wertvollste Lehrzeit als Spieler. Er darf gelegentlich „oben“ bei Huub Stevens mittrainieren und hat schon die Bundesliga vor Augen, als sein Traum von der Profikarriere plötzlich zu platzen droht: Ein Kreuzbandriss setzt Sascha Wolf für ein halbes Jahr außer Gefecht – ausgerechnet in der Saison, als der Triumphzug der legendären „Eurofighter“ so richtig ins Rollen kommt. „Das war leider Pech. Natürlich macht man sich dann im Nachhinein Gedanken, was wäre wenn“, gibt Sascha Wolf zu.
Nach San Siro reist er trotzdem. „Ganz kurzfristig haben mich Kumpels überredet, mit dem Zug nach Mailand zu fahren. Ich hatte keine Karte fürs Stadion und sogar mein Personalausweis war abgelaufen. Ich musste mich im Zug also immer verstecken oder schlafend stellen, wenn der Schaffner zur Kontrolle kam“, berichtet der heute 47-Jährige lachend und schwärmt: „Mit den Fans in Mailand dann den UEFA-Cup-Sieg zu feiern, war ein unvergessliches Erlebnis – auch wenn ich vielleicht sogar als Spieler hätte dabei sein können. Trotzdem bin ich mit dem, was ich erreicht habe, sehr zufrieden. Gerade was Schalke angeht: Ich bin ein Gelsenkirchener Junge, war immer als Fan im Parkstadion und habe mir dann meinen Traum erfüllt, mit Schalke in der Bundesliga zu spielen. Das kann mir keiner nehmen.“
14 Mal läuft Sascha Wolf in der Saison 1998/1999 für die Königsblauen in der Bundesliga auf. Meist sind es Kurzeinsätze, doch das ist egal. Von der schönen Zeit auf Schalke zehrt er heute noch, wenn er sich einmal wöchentlich mit den Kumpels aus der Schalker Traditionsmannschaft trifft – oder mit seinem Sohn in die Arena geht. „Das sind immer schöne Tage, wenn wir zusammen im Stadion sind“, sagt Joel Wolf.
Der Vater ruft
Er schickt sich als kleiner Junge zunächst an, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Im Trikot der DJK Blau-Weiß Gelsenkirchen schießt der kleine Joel Wolf Tore wie früher Papa Sascha – und plötzlich steht dessen Ex-Verein auf der Matte. „Da war ich 13, als Schalke mich holen wollte. Ich fühlte mich aber noch nicht reif genug“, erinnert sich Joel Wolf. Statt zum Bundesligaklub wechselt er lieber zum SV Hessler 06, und nach einer weiteren Station in der B-Jugend beim TuS Hordel im benachbarten Bochum ist für ihn erst einmal Schluss mit Fußball. „Ich habe bei Teamsport Philipp eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann begonnen und hatte daher kaum noch Zeit, um zum Training zu gehen“, sagt der 25-Jährige.
Dabei ist es bis heute geblieben. Fußball spielt Joel Wolf zwar noch regelmäßig mit Kumpels, aber eben nur in der Freizeit und nicht im Verein. Wenn es allerdings nach dem Willen des Vaters geht, soll sich das bald ändern. Nach seinen weiteren Spielerstationen Rot-Weiss Essen, ETB, Fortuna Düsseldorf II und Westfalia Herne ist Sascha Wolf inzwischen nämlich Trainer. Der frühere Torjäger coacht im zweiten Jahr den Bochumer Landesligisten VfB Günnigfeld . Ein möglicher Neuzugang für den kommenden Sommer: Joel Wolf. „Klar, Papa hat mich schon gefragt“, nickt der Sohnemann.
Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Joel Wolf müsste ohnehin erst einmal seinen Trainingsrückstand aufholen und in Günnigfelds zweiter Mannschaft in der Kreisliga starten. Zu spät ist es für eine ungewöhnliche Karriere im Fußball aber wohl nie – siehe Sascha Wolf. Der war 27, als er in der Bundesliga debütierte.
Autor/-in: Heiko Buschmann