Als am 21. Juli 2022 vom Airport Frankfurt am Main der Flieger in Richtung USA geht, ist Lea Siemes aufgeregt. Die 21-Jährige muss sich von Familie und Freunden verabschieden, um ein neues Kapitel in ihrem noch jungen Leben aufzuschlagen. Die Lehramtsstudentin an der Uni Essen-Duisburg hat ein Stipendium für die McKendree University in Lebanon im US-Staat Illinois erhalten. Wie lange sie dort bleiben wird, stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Nach fünf Monaten kehrt sie nach Deutschland zurück. Das Heimweh ist zu groß, vor allem ihre Eltern und ihre Mädels von Rhenania Bottrop hat sie zu sehr vermisst. Seit Mitte Februar spielt sie wieder für den Landesligisten, doch dass sie sich auf die weite Reise gemacht hat, darüber ist die Innenverteidigerin sehr froh, erzählt sie im FUSSBALL.DE-Interview.
FUSSBALL.DE: Lea Siemes, wie war es in den USA?
Lea Siemes: Sehr interessant, das war eine super Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich bin absolut ein Familienmensch, aber als ich so weit weg von zu Hause war, habe ich viel über mich selbst gelernt. Ich musste plötzlich für mich selbst sorgen, habe gekocht und den Haushalt geschmissen. Das musste ich ja zu Hause im "Hotel Mama" nicht machen. (lacht)
Erzähle uns doch bitte mehr davon, wie dein Aufenthalt abgelaufen ist.
"Ich bin zum Training gegangen, ohne das vorher anzukündigen und habe gefragt, ob sie noch eine Spielerin gebrauchen könnten"
Siemes: Als ich am Flughafen von St. Louis gelandet bin, haben mich der Co-Trainer des College-Teams und eine Mitspielerin abgeholt und mir dann in Lebanon alles gezeigt. Zusammen mit mir hat noch eine andere Fußballerin aus Europa ein Stipendium an der McKendree University erhalten - eine Schwedin. Ich hatte dann am Campus mit zwei US-Spielerinnen zusammen eine WG, Reagan Mauch und Katie Spotanski. Die beiden haben mich auch besucht, als ich wieder in Deutschland war. Und ich bin mit ihnen nach Paris, Amsterdam und Köln gefahren.
In den USA genießt der Frauenfußball schon sehr lange eine große Wertschätzung und Förderung. Wie hast du die Zeit im Collegeteam sportlich erlebt?
Siemes: Das war alles sehr professionell. Wir hatten dreimal am Tag Sport, mit Schwerpunkten auf Kraft- und Ausdauertraining. In den USA spielt die Athletik eine größere Rolle, die Spielerinnen sind alle topfit und laufen sehr viel. Dafür bleibt die technische und spieltaktische Komponente ein wenig auf der Strecke. Wir waren allerdings sehr erfolgreich, haben kein Spiel verloren und ich war in jedem Match von Anfang an dabei.
Wie schneidet aus deiner Erfahrung der US-Frauenfußball im Vergleich zu Deutschland ab?
Siemes: Bei uns wird intelligenter gespielt, es kommt mehr Spielfluss zustande. Ich habe mich allerdings recht schnell an die Spielweise in den USA gewöhnt, da wir sehr viel Praxis hatten. McKendree spielt in der Division 2, das ist eine Art Regionalliga. Wir hatten zwei Matches pro Woche, immer freitags und sonntags, teilweise mit acht Stunden Busfahrt zu Auswärtsspielen. Die USA sind halt ein großes Land. (lacht) Da in den Partien aber öfter gewechselt werden kann, verteilt sich die Belastung sehr gut.
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Hattest du auch Zeit, das Land kennenzulernen?
Siemes: Nicht wirklich, aber immerhin war ich einmal in New York. Malin Cziuray, meine Teamkollegin von Rhenania Bottrop, hat mich besucht. Dann haben wir einen schönen Ausflug gemacht.
Warum bist du nicht länger in den USA geblieben?
Siemes: Ich hatte einfach zu sehr Heimweh. Es war überragend, dort zu sein. Ich bin sehr froh, dass ich das gemacht habe, denn es war schon länger ein Traum von mir - und mit dem Studium passt es ja auch sehr gut. Wie sehr ich meine Familie vermisst habe, habe ich aber gemerkt, als ich kurz vor Weihnachten zurückgeflogen bin und meine Eltern mich am Flughafen in Frankfurt abgeholt haben. So lange habe ich meine Mama und meinen Papa wohl noch nie umarmt wie in dem Moment, als wir uns am Gate wiedergesehen haben.
Und was haben deine Mitspielerinnen bei Rhenania Bottrop gesagt?
Siemes: Das war etwas kurios. Zuerst bin ich ja Ende Januar noch einmal nach St. Louis geflogen und habe mich beim College zurückgemeldet. Ich hatte die Möglichkeit auf ein komplettes Stipendium für die gesamte Studienzeit. Das wären noch drei Jahre gewesen. Da ich schon vorher in Deutschland studiert habe, wäre es ein Jahr kürzer gewesen, sonst sind es vier Jahre. Aber als ich dann dort war, hat es sich für mich nicht mehr richtig angefühlt. Also bin ich wieder nach Hause geflogen.
Und dann?
Siemes: Dann bin ich zum Training gegangen, ohne das vorher anzukündigen und habe gefragt, ob sie noch eine Spielerin gebrauchen könnten. Die Freude war riesig, alle haben mich umarmt und mich ausgequetscht, wie es denn in den USA war. Es ist einfach schön, solche Freundinnen zu haben – und jetzt spiele ich also seit Februar wieder für meinen alten Verein Rhenania Bottrop in der Landesliga.
Autor/-in: Günter Schneider