Längst sind Deutschlands Amateurvereine auch im Social Media-Bereich aktiv. Klar, wo sonst als auf Facebook, Twitter, Instagram und Co. könnte man besser über den eigenen Verein berichten und ihn bewerben? Fleißig werden Neuigkeiten, Spielberichte sowie Fotos und Videos der Teams auf den Kanälen gepostet. Doch gibt es hier konkrete Handlungsmuster und -empfehlungen? Und welche Chancen bietet der Umgang mit den sozialen Medien für Amateurklubs überhaupt?
FUSSBALL.DE hat beim TSV Winsen nachgefragt. Seit knapp einem halben Jahr kommt man in den sozialen Medien nicht mehr am niedersächsischen Bezirksligisten vorbei.
Im Oktober 2014 brachte Spieler Max Schmidt den TSV mit folgendem Tweet deutschlandweite Aufmerksamkeit ein: „Wir werden eine Verpflichtung von Marco Reus intern diskutieren und dann eine Entscheidung fällen. Der Vorstand.“ FUSSBALL.DE , die Sportschau, Sky, 11Freunde, Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs und diverse andere Medien berichteten über den frechen Vorstoß des Amateurvereins und nahmen dessen augenzwinkerndes "Buhlen" um Reus in eigenen Posts und Tweets auf. Selbst der BVB machte mit. Auch, als der TSV Winsen die Vertragsverlängerung des Nationalspielers „zähneknirschend“ akzeptierte.
Schmidt blieb seit dem Hype um die Wechselgerüchte um Marco Reus dran und zog mit weiteren coolen Sprüchen und Aktionen bei Facebook und Twitter nach. Ciro Immobile wurde nach dessen Kritik an der deutschen Mentalität vom Winsener Team zum Essen eingeladen, Profis posierten mit dem Trikot des Amateurvereins, ein eigener YouTube-Channel wurde gegründet. „Mittlerweile ist es sogar so, wenn Transfergerüchte über irgendeinen Spieler auftauchen, dass die Leute schreiben: 'Das ist ein Kandidat für den TSV Winsen!' Ganz ohne unser Zutun“, sagt Max Schmidt. Der 26-Jährige Redakteur von Radio Hamburg kann den seit dem Reus-Tweet anhaltenden Kult um seinen Verein kaum fassen: „Wir haben ein Image geschaffen. Wir müssen uns gar nicht mehr selbst bewerben, das machen andere für uns. Das ist der Hammer!“
"Mittlerweile ist es sogar so, wenn Transfergerüchte über irgendeinen Spieler auftauchen, dass die Leute schreiben: Das ist ein Kandidat für den TSV Winsen"
Mit Herz dabei
Seit knapp zwei Jahren betreut Schmidt den TSV Winsen auf Facebook und Twitter . Mittlerweile hat der Verein knapp 6.000 Likes und 3.300 Follower auf den Kanälen. Das wichtigste Ziel seit Beginn der Social-Media-Aktivitäten: Aufmerksamkeit. Als diese plötzlich da war, wurde ein neues Ziel formuliert: Interesse wecken. „Diese Kanäle sind reiner Spaß für uns. Das sollen die Leute auch merken, dass wir Freude daran haben, Witze zu machen und über unseren Verein zu berichten. Wir sind einfach mit Herz dabei“, sagt Schmidt. Bei den kreativen und lustigen Posts verfolge man ein ganz einfaches Konzept: „Ich bin kein Experte. Aber ich denke, man sollte immer auf das Bezug nehmen, was die Leute im Fußball beschäftigt. Wenn der BVB also gegen Juventus Turin verliert, dann schreiben wir: 'Kopf hoch, der TSV Winsen hat auch noch nie in Turin gewonnen.'"
Schmidt bedient sich allgemeiner Aufhänger, die weit über das normale Vereinsleben hinausgehen. Er nimmt aktuelle Geschehnisse aus dem deutschen Fußball auf, um Aufmerksamkeit zu generieren, an den Diskussionen teilzunehmen und mit weiteren Posts und Tweets das Interesse für den TSV Winsen zu wecken. Ganz wichtig sei es dann, die Follower zu binden: „Community ist so ein großes Wort, aber genau in diese Richtung geht es. Wenn man eine Community geschaffen hat, muss man diese pflegen. Auf Fragen antworten, Angebote bereitstellen, immer wieder mit neuen Ideen kommen“, so Schmidt. Weil dies der TSV Winsen macht, folgen die User dem Amateurverein deutschlandweit. Schon über 50 Trikots hat der TSV über seine Social-Media-Kanäle verkauft. Seit kurzem werden Highlights von den Spielen bei YouTube hochgeladen, damit nicht nur diejenigen, die in Winsen und Umgebung wohnen,in den Genuss des Winsener Fußballs kommen.
„Ihr nervt wie Hans Sarpei und Helene Fischer“
Letztens schrieb ein User auf Twitter an den TSV Winsen: „Ihr nervt. Genau wie Hans Sarpei und Helene Fischer“. Für Max Schmidt gibt es kein größeres Kompliment: „Das zeigt doch: Wir sind in den Köpfen von den Leuten angekommen. So muss das sein! Und wenn die Leute sich dann sogar noch dafür interessieren, wie wir am Wochenende gespielt haben, und nicht nur unsere witzigen Posts verfolgen, dann ist das umso besser!“ Seit dem Transferpoker um Marco Reus stieg der Zuschauerschnitt des TSV Winsen im zweistelligen Prozentbereich an. Statt im Schnitt 65 verfolgen nun durchschnittlich 73 Zuschauer die Heimspiele des TSV. „Hier hat sich der Hype noch nicht so bemerkbar gemacht. Aber um Zuschauer zu Amateurfußballspielen zu locken, gehört mehr dazu als ein paar Posts und Tweets. Das kennt jeder Verein“, meint Schmidt. „Da geht es eher um die Klassiker: Plakate im Dorf aufhängen, Flyer verteilen, Leute direkt ansprechen. Und am Ende ist man dann doch vom Wetter abhängig.“
Für den Online-Shop und den YouTube-Channel hat Max Schmidt seit einiger Zeit Unterstützung von zwei Mannschafskollegen bekommen. Damit er sich ganz auf kreative Posts und Tweets konzentrieren oder besondere Fans hinzugewinnen kann. Heiko Westermann und Shkodran Mustafi ließen sich bereits mit Shirts des TSV ablichten, der BVB schickte ein signiertes Reus-Trikot nach Winsen. Auch Ingolstadt-Profi Ralph Gunesch nahm den Trend bei Twitter auf. Er beschwerte sich, dass seine Spielfigur bei FIFA 2015 zu schlecht bewertet worden sei und schob dies auf den Umstand, dass er nicht aus der guten Jugendabteilung des TSV Winsen stamme. „Das ist einfach jedes Mal ein riesiges Highlight, wenn sich die Promis oder die großen und seriösen Medien mit unserem TSV beschäftigen. Darauf sind wir richtig stolz. Es schmückt uns, wenn jemand den Spaß mitmacht.“
Ein Kollege prophezeite Schmidt bereits im November letzten Jahres, dass der Hype um Winsen, Reus und Co. so langsam vorbei sei - und wiederholt dies alle paar Wochen. Ein Ende ist jedoch noch lange nicht in Sicht. Solange der TSV Winsen dran bleibt…
Tipps vom TSV Winsen
- Definiert ein Alleinstellungsmerkmal, das Euch von anderen Vereinen abhebt. Beispiel: Winsen ist für alle der Verein, der Reus verpflichten wollte. Was zeichnet Euren Verein aus?
- Erzeugt Aufmerksamkeit und seid aktiv: Diskutiert über aktuelle Fußballthemen und bringt Euch ins Bewusstsein der Leute.
- Erzeugt eine Community und pflegt diese: Kommuniziert mit den Usern, beantwortet Fragen und kreiert interessante Inhalte für Eure Zielgruppe.
- Lenkt die Aufmerksamkeit dann immer wieder auf Vereinsinhalte (Neuigkeiten, Spielberichte, Fotos und Videos von Spielen etc.)
Autor/-in: Maximilian Schwartz