Keine sieben Kilometer ist die Frankfurter Festhalle von der Sportanlage der SG Sossenheim entfernt. Und doch liegen Welten zwischen den beiden Orten. In der größten Frankfurter Arena feierte Tim Wiese am Wochenende vor mehr als 10000 Zuschauern und live vor Millionen Fernsehzuschauern in 145 Ländern als Neuzugang der US-Serie „World Wrestling Entertainment“ (WWE) sein Debüt als Wrestler. In Sossenheim werfen sich die wilden Kerle alle paar Monate vor kaum mehr als 100 Zuschauern durch den Ring. Dafür aber immerhin ganz offiziell unter dem Dach der SG Sossenheim.
„Wir erreichen damit eine ganz neue Klientel“
Der Frankfurter Fußballklub bietet als einer von ganz wenigen in Deutschland neben Handball, Tischtennis, Karate, Turnen und Boxen auch noch eine eigene Wrestling-Abteilung, die 25 aktive Mitglieder zählt. Der frühere Bundesligatorwart Wiese hat nach eigenen Angaben abgeschlossen mit dem Fußball. Aber in Sossenheim, wo Weltmeister Andreas Möller direkt neben der Anlage der SG aufwuchs, könnte er das Tor hüten, jeden Sonntag im Wrestling-Training seinen muskelbepackten Körper stählen und an fünf Kampfabenden im Jahr in der vereinseigenen Sporthalle in den Ring steigen. „Ich hätte nichts dagegen, wenn er zu uns kommt“, sagt Sascha Döberin. Der Abteilungsleiter ist im Hauptberuf Banker, im Ring nennt er sich „Joey Sensation“.
Stolz auf die außergewöhnliche Abteilung
Döberin spielte in der Jugend selbst Fußball, ehe es ihn zum Wrestling zog. Dennoch betrachtet er den Seitenwechsel Wieses skeptisch: „Ich weiß nicht, worauf diese Sache eigentlich hinausläuft. Die WWE ist bei Europäern und ganz besonders bei Quereinsteigern eigentlich sehr wählerisch.“ Sorgen macht sich Döberin nicht um Wiese. „Die Verletzungsgefahr ist in unserer Fußballabteilung deutlich höher als bei uns. Wir hatten bislang mal einen blauen Fleck oder einen umgeknickten Finger. Aber grobe Fouls, die zu Kreuzbandrissen oder Ähnlichem führen, haben wir hier nicht.“ Eine Delegation der SG war am Samstagabend in der Frankfurter Festhalle vor Ort, um für ihren Sport zu werben. Denn in Sossenheim sind sie stolz auf ihre außergewöhnliche Abteilung, die es seit sieben Jahren gibt. „Wir erreichen damit eine ganz neue Klientel“, sagt der Erste Vorsitzende Bernd Flade. „Wir wachsen stetig“, erzählt Döberin.
Im Fußball setzt die SG vornehmlich auf die Jugend. Zehn Nachwuchsteams kicken in dem strukturschwachen Stadtteil. Bei den Shows der Wrestling-Abteilung sind die jungen Fußballer regelmäßig unter den Zuschauern. „Sie spielen nachmittags, am Abend dann stehen unsere Shows an, das passt“, meint Döberin. Zwar sind zwei frühere Spieler zu ihm zum Wrestling gewechselt, in Konkurrenz zur Fußballabteilung steht er mit seinen starken Jungs aber nicht.
Die Erste Mannschaft der Sossenheimer spielt seit Jahren in der Kreisliga B Main-Taunus . In dieser Saison hat das Team in 15 Saisonspielen 31 Gegentreffer kassiert. Einen Torwart vom Format Wiese könnten sie da sicher gut gebrauchen.