Während die Profiteams für das Sommertrainingslager um die ganze Welt reisen, müssen sich die Amateurvereine mit weit weniger Jetset zufrieden geben. Wenn überhaupt: Meist bleibt der eigene Sportplatz die Anlaufstelle Nummer 1 für die Vorbereitung auf die neue Saison. Allerdings verspricht ein Kreisligist auf Reisen immer wieder interessante Geschichten. Joel Grandke mit seiner neuesten Ausgabe der Kolumne Amateur-Alltag.
Fußball-Weisheit #86: „Ihr könnt Eimer zum Kotzen mitbringen.“ (Peter Neururer bei der Ankündigung eines Trainingslagers )
Da klimpert’s kräftig im Phrasenschwein. Bei Peter Neururer wusste der Spieler, woran er war. Da blieb kein Platz für wild-romantische Hoffnungen, dass das Trainingslager am Ende einer locker-lustigen Kaffeefahrt gleichen würde. Um seine Truppe nach der Sommerpause wieder auf Wettkampf-Fitness zu trimmen und überschüssige Kilos in Schweiß zu verwandeln, jagte Neururer seine Jungs auch mal gnadenlos durch die Hitze. Da können die Eimer schon mal vorsorglich an der Seitenlinie aufgereiht werden. Eine hohe Intensität ist in der Sommervorbereitung sicher der Standard, wobei die Trainer natürlich unterschiedlichen Philosophien folgen. Während das Neururer-Zitat beispielsweise auch vom legendären „Quälix“ Magath stammen könnte, gibt es auf der anderen Seite auch Coaches, die ihre Jungs nicht unbedingt beim kollektiven Erbrechen beobachten wollen. Die Schleiferei wird den Profis heutzutage ohnehin mit einem Auslandsaufenthalt erträglicher bereitet. Die Clubs reisen mittlerweile nicht nur bis zum Mittelmeer, um dort bei besten Bedingungen und abseits des alltäglichen Trainingsplatzes zu schuften, sondern nehmen noch viel weitere Strecken auf sich. Die Bayern zieht es gern mal gen Doha, die Schalker fliegen in letzter Zeit auch mal nach China und die Dortmunder sind gerade von ihrer USA-Reise zurückgekehrt. Es bedarf keiner weiteren Erklärung, dass solche Touren nicht nur schönem Wetter, sondern auch gewissen Marketingbestrebungen der Vereine bedingt sind. Unzählige aufgeregte Fans warten in China beispielsweise auf die Ankunft der Königsblauen und schwenken S04-Fähnchen. Am Düsseldorfer Flughafen haben die Knappen ein solches Willkommen schon lange nicht mehr erleben dürfen. Trainingslager werden zunehmend zu kleinen Abenteuern in fremde Kulturen. Es geht eben auch darum, die Clubnamen als Marke in die Welt zu tragen.
Mit Grün-Weiß Meppen auf China-Tour
"Wilkome in China, Grum-Weiz Meppen"
Der Marketingapparat von Amateurvereinen fällt selbstredend um ein Vielfaches kleiner aus. Das Budget für Trainingslager ist bei vielen Kreisliga-Clubs entsprechend schmal und würde wohl gerade reichen, um maximal einen Spieler nach China oder Übersee in den Flieger zu setzen – One-Way und ohne anschließende Unterbringung, versteht sich. Die Mannschaftskasse zeigt nach der Malle-Abschlussfeier der Vorsaison längst die schwarze Null, sodass auch auf diesem Wege keine Zuschüsse eingeplant werden können. Mit langfristigen Marketingeinnahmen, die sich aus der Reise ergeben könnten, ist ebenfalls nicht zu rechnen. Wenn Grün-Weiß Meppen in Peking aus dem Flieger steigt, würde das Empfangskomitee maximal aus einem Taxifahrer bestehen, der gelangweilt ein Schild inklusive Rechtschreibfehler in die Luft hält – aber immerhin hat es der Reiseveranstalter auf Deutsch versucht: „Wilkome in China, Grum-Weiz Meppen“. Ein Anstieg der Verkaufszahlen wäre bei den ohnehin streng limitierten Grün-Weiß-Trikots, von denen es ja nur einen (unvollständigen, weil zwei Hosen und drei paar Stutzen fehlen) Satz gibt, auf dem chinesischen Markt nicht zu erwarten. Hier muss man allein schon aus wirtschaftlichen Gründen sagen: Lieber Grünkohl- als China-Tour.
Amateurvereine schlagen ihre Trainingslager zumeist deutlich näher zu ihrer Heimat auf. Ein paar Stunden Fahrtzeit ist für viele Clubs schon das höchste der Gefühle. Wichtig ist für den Coach dabei, dass die Jungs weit genug von zuhause entfernt sind, damit sie dem Alltagsstress ein Stück weit entkommen und sich voll und ganz auf den Fußball konzentrieren können. Das klingt in der Theorie gut. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass die Konzentration auf den Fußball nicht zwangsweise steigt, wenn 20 junge Männer gemeinsam für ein langes Wochenende unterwegs sind – ohne Stress auf der Arbeit, ohne Verpflichtungen jeglicher Art, ohne den Partner. Wer annimmt, dass die Spieler an einem anstrengenden Trainingstag nach dem Abendessen kaputt und müde ins Bett fallen, liegt weit daneben. Es sind gerade diese Abende, an denen die Mannschaft ohne Alternativprogramm unter sich ist, bei denen die Spieler ihre beeindruckende Ausdauer – am Tresen nämlich – unter Beweis stellen. Bei der Trainingseinheit am nächsten Morgen ist davon dann aber nichts mehr zu sehen. Ganz im Gegenteil: Verschlafen und kreidebleich schleppen sich die meisten Spieler auf den Platz und wünschen sich nichts sehnlicher als ein schnelles Ende der Einheit. Der Trainer hat sich auf der anderen Seite natürlich viel vorgenommen und fordert von seinen trinkfesten Schützlingen mindestens denselben Einsatz, den sie am Vorabend am Glas gezeigt haben. Das Ergebnis ist kein Genuss für den neutralen Beobachter, vielmehr eine Trainingseinheit für die Tonne. Oder genauer gesagt eine Einheit für den Eimer, denn genau dieser wird ganz Neururer-like vielfach von den Spielern angesteuert – teilweise sogar schon vor dem Trainingsbeginn.
Teambuilding im Posener Nachtleben
Besondere Reize können manche Kreisligavereine setzen, indem auch sie ihren Jungs ein Trainingslager im Ausland anbieten. Es geht zwar nicht bis ans andere Ende der Welt, aber wenn die Gemeinde eine Partnerschaft mit einem Dorf in einem deutschen Nachbarland wie beispielsweise Frankreich, Polen oder Dänemark hat, kann eine städtepartnerschaftlicher Besuch kurzerhand mit einem Trainingslager verbunden werden. Ein spannender Austausch für alle Beteiligten, die eine Mischung aus Urlaubsfeeling und Fußball miteinander verbinden können. Bei solchen Touren fällt dem Coach allerdings häufig die gleiche bereits beschriebene Problematik vor die Füße: Wenn deine Jungs mit den einheimischen Spielern des Partnervereins ein wenig durch das Posener Nachtleben ziehen, braucht es keinen Propheten, um voraussagen zu können, dass die Trainingseinheit am nächsten Tag auf überschaubarem Niveau ablaufen wird.
Trotz dieser Umstände sollte auf die sommerlichen Kreisliga-Bootcamps, wo auch immer sie am Ende stattfinden, keinesfalls verzichtet werden. Der Trainingseffekt könnte an drei langen Trainingstagen auf der heimischen Sportanlage womöglich der gleiche sein, doch das lange und feucht-fröhliche Wochenende trägt einen erheblichen Teil zum Teambuilding und der gesamten Stimmung in der Mannschaft bei. Auch wenn die Momente am Eimer, die Sportsfreund Neururer ja sogar bei seinen Profimannschaften prophezeite, aus sportlicher Sicht zwar nicht die glanzvollsten in der Vereinshistorie sein werden, werden sie auch noch Jahre später unter Gelächter auf Mannschaftsabenden erzählt. Und außerdem ist das verkaterte Fußballspielen für einige Kicker eine optimale Übung unter realen Sonntagsbedingungen.
Joel Grandke, Buchautor und aktiver Amateurkicker aus Hamburg, spürt in seiner wöchentlich auf FUSSBALL.DE erscheinenden Kolumne der Faszination Amateurfußball nach. Stets mit einem Augenzwinkern.