Kürzlich haben wir Euch im Rahmen unserer Themenwoche Saisonendspurt den Leitfaden für den Kampf gegen den Abstieg präsentiert - heute schauen wir ans obere Ende der Tabelle und sagen, worauf ein Kreisliga-Trainer unbedingt achten soll, wenn der Aufstieg zum Greifen nah ist. So geht auf dem Weg nach oben nichts mehr schief.
Hier unsere Tipps
Tipp 1: Euphorie bremsen
Die Konkurrenz scheint abgehängt. Seit Wochen wird in der Kabine darüber diskutiert, ob auf den Aufstiegs-Shirts „Neunte Liga – ohne uns“ oder in schlichter Schönheit „Meister 2014/15“ stehen soll. Aber zwei Niederlagen und der Vorsprung wäre dahin. Also nicht anstecken lassen. Einer muss schließlich kühlen Kopf bewahren. Das ist im besten Fall der Trainer. Auch wenn es unbeliebt macht: Zur Not das A-Wort in der Kabine verbieten. Zumindest den Verwalter der Mannschaftskasse wird es freuen.
Tipp 2: Richtige Worte finden
Die Presse ist außer Rand und Band. Der freundliche ältere Herr vom Lokalblatt fragt schon seit März jeden Sonntag, wann die Aufstiegsfeier stattfindet. Coolness ist gefragt. „Es gibt bislang nichts zu feiern“ und „wir müssen fokussiert bleiben“ sind keine Knallersätze, durch lautes Getöse ist jedoch noch keiner aufgestiegen.
"Männer, in zwei Wochen sind wir durch"
Tipp 3: Zügel lockern
Das Team hat sich ein kleines Bonbon verdient. Eine Grillparty ist ein zeitloser Klassiker. Natürlich beim Trainer zu Hause. Der Einwand der Gattin („Letztes Mal mussten wir danach neu tapezieren“) ist nachvollziehbar, aber es geht um den Aufstieg. Was sind da schon ein paar verschmutzte Tapeten? Ruhig großzügig darüber hinweg sehen, wenn bereits um 19 Uhr das Bier zugunsten der härteren Getränke ignoriert wird. Schließlich ist das nächste Spiel erst in vier Tagen.
Tipp 4: Psychologe sein
Der Tabellenletzte ist zu Gast. Und reist nur mit zehn Mann an. Da ist der Psychologe im Trainer gefragt. So etwas wie „Heute wird es ganz schwer“ sorgt für ungewollte Heiterkeit beim Team. Aufforderungen wie „Schenkt ihnen 15 Stück ein“ sind ebenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss. Daher ist weniger manchmal mehr, zum Beispiel: „Männer, rausgehen und drei Punkte holen.“ Ohne Schnörkel. Aber deutlich. Brillant!
Tipp 5: Etwas riskieren
Vielleicht zu brillant? Jedenfalls führt das Schlusslicht zu seiner eigenen Überraschung in der zweiten Halbzeit mit 1:0. Das ist unfassbar, stimmt jedoch allem Anschein nach. Zumindest meckern die üblichen Verdächtigen auf der Tribüne gut vernehmlich („Die wollen aufsteigen? Haha. Das ist ja wohl ein Witz!“). Was tun? Auf der Bank sitzen – nicht viele. Omas Geburtstag, ein verstauchter Knöchel, Abi-Fahrt. Alles zur Unzeit. Also muss Burki ran. 41 Jahre alt, nicht mehr voll im Saft, aber ein Kämpfer. 30 Minuten später steht ein 2:1-Sieg. Burki hat jeweils im richtigen Moment den Fuß hingehalten. Puh, das war knapp.
Tipp 6: Konservativ rechnen
Es ging gerade noch gut gegen den Letzten. Der Vorsprung bleibt konstant, der Aufstieg rückt näher. Rechenspiele sind durchaus legitim, dabei trotz allem die Realität im Auge behalten. Klar ist es möglich, dass die beiden ärgsten Verfolger die zwei nächsten Partien jeweils so ungefähr 0:24 verlieren und die eigene Mannschaft zweimal zweistellig gewinnt und sich vorzeitig in die Bezirksliga ballert. Sehr wahrscheinlich ist es nicht. Daher lieber konservativ rechnen anstatt im Brustton der Überzeugung zu verkünden: „Männer, in zwei Wochen sind wir durch.“
Gibt's Freibier für alle?
Tipp 7: Nicht zu früh beglückwünschen lassen
Schon seit geraumer Zeit kommen die gegnerischen Trainer und gratulieren vorzeitig zum Aufstieg. Ist alles nett, trotz allem zurückhaltend bleiben. „Danke mein Bester, aber war doch wohl klar, dass wir in dieser Gurkenliga Erster werden“, ist als Antwort nur bedingt ratsam.
Tipp 8: Vorbereitet sein
Es ist fast so weit. Drei Spiele vor dem Ende beträgt der Vorsprung neun Punkte. Bei aller professionellen Gelassenheit nach außen wird der Tag X natürlich nicht völlig unvorbereitet angegangen. Der Betreuer soll die Aufstiegs-Shirts aber bitte nicht vor dem Anpfiff verteilen. Und dass es im Fall des Aufstiegs Freibier für alle gibt, möge der Platzsprecher ebenfalls nicht schon beim Verlesen der Aufstellungen freudetrunken ins Mikro brüllen.
Tipp 9: Gespür für Gesten haben
Burki hat vor ein paar Wochen mit seinen Toren endgültig die Weichen nach oben gestellt. Er war zudem der Einzige, der immer beim Training war. Und er hat für diesen Verein schon die Knochen hingehalten, als viele andere im Kader die örtliche Krabbelgruppe verstärkten. Sprich: Burki hat sich einen letzten Auftritt auf der großen Bühne verdient (heute sind mehr Zuschauer da als bei allen vorigen Heimspielen zusammen). Einer sollte ihm allerdings vorher mitteilen, dass er sich im Falle einer komfortablen Führung ab der 80. Minute bereitmachen soll. Sonst kann es passieren, dass er in den Schlussminuten bereits mit den Zuschauern, einem Pils und einer Sieger-Zigarre feiert.
Tipp 10: Kein Blatt vor den Mund nehmen
Jetzt ist es ist geschafft. Erstmals seit 26 Jahren gelingt der Aufstieg in die Bezirksliga. Das ist ein toller Erfolg der Mannschaft, aber selbstredend hat auch der Trainer seine Aktien daran. Daher ruhig die Zurückhaltung ablegen und dem Mitarbeiter des Lokalblatts gegenüber die eigene Leistung würdigen („Unsere Taktik ist in dieser Saison voll aufgegangen. Wir waren in allen Spielen toll eingestellt!“) sowie die Klubführung in die Pflicht nehmen („Das ist eine Super-Truppe, ich sehe trotzdem drei bis vier Positionen, auf denen wir nachlegen müssen.“).
Viel Erfolg!
Autor/-in: Sebastian Schlichting