Trotz einer hervorragenden Saison in der Regionalliga Südwest, in der die von Ex-Bundesligaprofi Michael Wiesinger trainierte SV 07 Elversberg hinter dem SV Waldhof Mannheim Tabellenzweiter wurde, gingen die Saarländer am Ende (ebenso wie Meister Mannheim) leer aus. Nach dem Aus gegen Nordost-Meister FSV Zwickau in den Playoffs um den Aufstieg in die 3. Liga (1:1/0:1) ist die Enttäuschung groß. Hinzu kommt, dass Elversberg wenige Wochen zuvor durch das 0:1 gegen den FC 08 Homburg im Finale des Saarlandpokals auch schon die Teilnahme am DFB-Pokal verpasst hatte.
Im aktuellen FUSSBALL.DE - Regionalliga-Interview der Woche spricht Michael Wiesinger, der als Profi mit dem FC Bayern München 2001 Champions League-Sieger wurde und als Trainer unter anderem schon den 1. FC Nürnberg in der Bundesliga betreut hatte, über die Gründe für die Playoff-Niederlage, die Ziele für die kommende Saison und die Unterschiede bei der Arbeit zwischen der ersten und vierten Liga.
FUSSBALL.DE: Wie haben Sie die beiden Playoff-Spiele gesehen, Herr Wiesinger?
Michael Wiesinger: Wir haben in beiden Partien gut gespielt, aber unsere Torchancen nicht genutzt. Im Rückspiel waren wir vor allem in der ersten Halbzeit drauf und dran, das 1:0 zu erzielen. Es ist schade, dass wir uns nicht für unsere harte Arbeit in der gesamten Saison belohnen konnten und am Ende mit leeren Händen dastehen. Das ist brutal.
"Es herrschte in den Playoff-Spielen schon eine besondere Atmosphäre, die ich vorher nur aus Erzählungen kannte"
Gab es außer der Chancenverwertung weitere Gründe dafür, dass es am Ende nicht gereicht hat?
Wiesinger: Auf der rund 500 Kilometer langen Rückfahrt aus Plauen hatten wir im Bus genug Zeit, um die Niederlage zu analysieren. Besonders im letzten Drittel hat uns vielleicht ein wenig die Gier gefehlt, um den Ball über die Linie zu drücken. Klar ist aber auch, dass wir mit insgesamt vier Pfostentreffern in den zwei Begegnungen nicht gerade vom Glück verfolgt waren.
Als Aktiver spielten Sie unter anderem für den Deutschen Rekordmeister FC Bayern München, gewannen mit dem FCB 2001 die Champions League. Was ist schwieriger: Aufstiegsrunde oder Champions League?
Wiesinger: Es herrschte in den Playoff-Spielen schon eine besondere Atmosphäre, die ich vorher nur aus Erzählungen kannte. Was schwieriger ist, kann ich nicht sagen. Ich weiß aber, dass es am Sonntag eine große Enttäuschung für uns alle war. Meine Jungs so niedergeschlagen zu sehen, obwohl sie alle eine grandiose Saison gespielt hatten, war eine Erfahrung, die ich nicht nochmal machen möchte. Wichtig ist, dass wir das Geschehene so schnell wie möglich abhaken. Viel Zeit zum Trauern haben wir ohnehin nicht. Wir wollen in der nächsten Saison wieder angreifen.
Fällt Ihr Saisonfazit trotz der Playoff-Niederlage positiv aus?
Wiesinger: Definitiv. Es gibt keinen Grund, die Saison schlechtzureden. Wir haben attraktiven Fußball gespielt, viele Punkte geholt und die Meisterschaft nur knapp verpasst. In den Playoffs entscheiden dann nun einmal Nuancen darüber, wer aufsteigt und wer ein weiteres Jahr in der Regionalliga verbringen muss. Es trifft auf jeden Fall ein Team, das den Aufstieg verdient gehabt hätte. Diesmal waren wir die Leidtragenden.
Wie geht es jetzt weiter?
Wiesinger: Zunächst einmal werden wir alle versuchen abzuschalten. Am 27. Juni beginnt dann die sechswöchige Vorbereitung auf die neue Saison.
Welche Auswirkungen hat der Nicht-Aufstieg auf die Mannschaft?
Wiesinger: Es ist keinesfalls so, dass das Team auseinanderfällt. Ganz im Gegenteil! Die Basis steht. Daran ändert auch der Wechsel unseres Torjägers Mijo Tunjic zu den Stuttgarter Kickers nichts. Wir wollen die Mannschaft außerdem punktuell verstärken. Viele Transfers werden wir allerdings nicht tätigen.
Wird das Ziel auch in der kommenden Saison das Erreichen der Playoffs sein?
Wiesinger: Klares Ja! Als ich im zurückliegenden Jahr einen Zweijahresvertrag in Elversberg unterschrieben habe, war die Zielsetzung eindeutig. Bis 2017 soll der Aufstieg in die 3. Liga gelingen. Bereits in der ersten Spielzeit waren wir jetzt sehr nah dran.
Vor Saisonbeginn hatten viele Beobachter nicht schlecht gestaunt, als Sie als ehemaliger Bundesliga-Trainer einen Regionalligisten übernahmen. Was waren Ihre Gründe?
Wiesinger: Die Vision des Vereins, die Gespräche mit den Verantwortlichen und das gesamte Drumherum hat mich von Beginn an überzeugt. Der Anspruch und die Grundvoraussetzungen - wir trainieren zum Beispiel nicht seltener als ein Profiteam - sind die gleichen wie bei einer höherklassigen Mannschaft. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, mich in den vergangenen Monaten als Trainer weiterzuentwickeln.
Inwiefern?
Wiesinger: Vieles war neu für mich. Die Mannschaftsführung ist bei einem Regionalligateam zum Beispiel völlig anders. Du bekommst es mit ganz anderen Spielertypen zu tun, bei denen andere Probleme zu lösen sind als bei Profis aus der 1. und der 2. Bundesliga. Man darf nicht außer Acht lassen, dass die 4. Liga unter anderem auch ein Auffangbecken für Spieler ist, die den großen Durchbruch nicht direkt geschafft haben. Ich kommuniziere viel mit der Mannschaft und führe mehr Einzelgespräche. Dennoch wahre ich die nötige Distanz, um das Spieler-Trainer-Verhältnis zu erhalten.
Was war noch neu für Sie?
Wiesinger: Ich war aus meiner Zeit in Nürnberg und Ingolstadt perfekte Trainingsbedingungen gewohnt. Obwohl wir in Elversberg auch ein hervorragendes Vereinsgelände haben, war mein Wechsel zur SVE in dieser Hinsicht ein Rückschritt. Ich wende viel Zeit für Dinge auf, mit denen ich mich als Bundesliga-Trainer nicht beschäftigen musste. Zum Beispiel stehen einige organisatorische Aufgaben auf dem Plan. Es ist also ein ganz anderes Arbeiten als bei einem Erstligaverein. Das kostet Zeit und Energie. Bereut habe ich das Engagement in Elversberg trotzdem nie. Die Arbeit im Verein und mit meiner Mannschaft macht mir sehr viel Spaß.
Hand aufs Herz: Endet Ihre Amtszeit in Elversberg, wenn der Aufstieg auch in der nächsten Saison nicht gelingen sollte?
Wiesinger: Ich glaube fest daran, dass ich mit Elversberg den Sprung in den Profifußball schaffen kann. Die sportliche Qualität und die Rahmenbedingungen dafür sind in diesem Verein gegeben. Auf dieses Ziel arbeiten wir hin. Über eine Zukunft danach habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Zumal es ohnehin so ist, dass ich in den vergangenen Jahren vor allem eines gelernt habe: Du kannst deine Karriere so gut planen, wie es nur geht. Trotzdem weißt du oft nicht, was morgen passiert.
Autor/-in: Christian Knoth/mspw