Ehrenamtspreis: Schlagt jetzt die gute Seele eures Vereins vor
Ihr habt einen besonderen Ehrenamtlichen im Verein? Die gute Seele? Sagt "Danke", indem ihr sie oder ihn bis zum 31. Mai für den DFB-Ehrenamtspreis vorschlagt!
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Hermann Eger: "Das Wichtigste war mir die Bewegung, dann noch ein bisschen die Geselligkeit und die gute Kameradschaft unter den Schiedsrichtern"[Foto: sachseninformer.de]
Ein klein gewachsener Mann mit auffallend kräftigem Händedruck, da wird schon klar: Hermann Eger ist auch mit 80 Jahren und trotz seiner geringen Körpergröße alles andere als eine Pusteblume. Seit 48 Jahren pfeift Eger aus dem Fürther Stadtteil Stadeln Fußballspiele in Mittelfranken. Als Schiedsrichter schaffte er es in die Bezirksliga, als Linienrichter bis hinauf zur Bayernliga, zu seiner Zeit die dritthöchste deutsche Spielklasse. Im Juli 2023 hat er zum 40. Mal das Deutsche Sportabzeichen in Gold abgelegt. Am 3. Oktober vollendete Eger sein achtes Lebensjahrzehnt.
FUSSBALL.DE: Warum und wann wurden Sie Schiedsrichter?
Hermann Eger : Ich habe früher selbst Fußball gespielt in einer Privatmannschaft, Rechtsaußen beim Tapetenhaus am Ronhof. Das hat auch von meiner Größe her gepasst, und schnell war ich immer. Da hatten wir in der untersten Klasse nicht gerade mordsgute Schiedsrichter, sondern nur solche, die übriggeblieben waren.
Die, die man gerne mal abwertend als Fußkranke bezeichnet?
"Ich hab ja ein bisschen Gefühl fürs Spielen gehabt, und die haben gesehen, dass ich auch ein Gefühl fürs Pfeifen habe und nicht total blind auf dem Sportplatz rumlaufe"
Ganz genau. Die blieben meistens an der Mittellinie stehen und wollten trotzdem gesehen haben, ob’s abseits war oder nicht. Lieber haben die ein Abseits zu viel gepfiffen, oft aber waren auch klare Abseitstore dabei. Da habe ich mir gesagt: Tust du’s halt selber mal probieren.
Wie lief die Ausbildung?
Ich bin nach Nürnberg ins Fleischerhaus beim Rochusfriedhof gefahren und habe dort 1975 die Prüfung gemacht. Es waren, glaube ich, fünf oder sechs Lehrabende.
Da waren Sie schon 32 Jahre alt, während heute bereits 14-Jährige angesprochen werden.
Weil Sie das sagen: Vor kurzem war ich auf dem Karl-Mai-Sportfeld, da haben die Kinder ihr Sportabzeichen abgelegt. Dort helfe ich seit Jahren mit, und ehrlich: Kaum ein Kind kann mehr gerade laufen. 30 Prozent sind normal, aber die anderen: furchtbar!
Was wollten Sie mit 32 noch als Schiedsrichter erreichen?
Das Wichtigste war mir die Bewegung, dann noch ein bisschen die Geselligkeit und die gute Kameradschaft unter den Schiedsrichtern. Ich fand: Die sind in Ordnung, da bleibst dabei. Ich hab ja ein bisschen Gefühl fürs Spielen gehabt, und die haben gesehen, dass ich auch ein Gefühl fürs Pfeifen habe und nicht total blind auf dem Sportplatz rumlaufe. Nach zwei Jahren kam ich in die damalige A-Klasse.
Das war damals immerhin schon die dritte Klasse von unten her gerechnet.
Richtig. Heute heißt das B-Klasse, da bekomme ich immer wieder mal noch Spiele. Die fragen mich dann oft: "Sie pfeifen uns heute? Wie alt sind Sie denn?" Ich sage dann immer: "In 20 Jahren bin ich 100." Manchmal muss ich es wiederholen, und sie begreifen es immer noch nicht. Dann sage ich: "Ich bin 80." Erst dann fällt der Groschen: "Allmächt, so alt sind Sie? Sie haben ja gar keinen Bauch."
Ihre jüngsten Kollegen sind erst 14.
Ja, weil wir so wenige geworden sind. Um die jungen Leute zu locken, haben sie seit Juli die Spesen kräftig erhöht. Mit was willst du sie sonst motivieren? Das Geld ist halt oft das Wichtigste. Aber die Vereine klagen und sagen: Wer soll das alles bezahlen?
Wie viel Geld gibt es denn?
In der Jugend bekommt der Schiedsrichter 15 Euro pro Spiel und 30 Cent pro Kilometer Anfahrt.
Sie haben es als Linienrichter bis in die Bayernliga gebracht. Wer war der Schiedsrichter in Ihrem Team?
Gregor Ioannides, das war damals der beste Schiedsrichter in Fürth. Gemeinsam sind wir von der Landesliga in die Bayernliga aufgestiegen.
Aber noch weiter ging Ihr Aufstieg nicht. Weil Sie so spät angefangen hatten?
Vielleicht. Heute sind Sie als Schiedsrichter ja mit 25 Jahren schon ein alter Mann. Zum Teil sind die 19, 20 oder 21, alles ganz junge Bürschchen. Und wenn die ihre erste Freundin kennenlernen oder am Anfang ihrer Karriere mal ein paar böse Spiele pfeifen müssen, dann schmeißen sie oft schnell das Handtuch. Wenn du dich dann noch blöd anmachen lassen musst, sagen sich viele: Des Kaschperla mach‘ mer net mit.
Was war bzw. ist Ihr Motto? Was ist erlaubt, was dulden Sie gar nicht?
Beleidigungen schon mal grundsätzlich nicht. Wenn mich einer einen Blinden genannt hat, war Schluss. Wenn sie manchmal einfach nur ein bisschen härter gespielt haben, habe ich schon mal auf Vorteil entschieden und weiterspielen lassen. Wenn man aber zu locker ist, dann geht das höchstens die erste Viertelstunde gut. Ich war dann lieber kleinlich.
Sind die Spieler per Du mit Ihnen oder per Sie?
Immer per Sie. Der Schiedsrichter ist eine Respektsperson. Ohne mich jetzt herauszustellen, beim Du ist sehr schnell der Respekt weg.
Spürt man vorher, dass ein Spiel richtig hart werden könnte?
Man kannte ja seine Spieler und hat sich informiert, wie es zwischen den Mannschaften in der Tabelle aussieht. Ich habe mich bei Neunkirchen gegen Langenzenn, Erster gegen Zweiten, als Schiedsrichter-Aufsteiger in die Bezirksliga vorgestellt. „Sie pfeifen heute?“, fragten die mich, „wissen Sie eigentlich, was das für ein Spiel ist?“ Die haben geglaubt, der Kleine da schafft das nicht.
Wie groß sind Sie?
Einsfünfundsechzig genau.
Ungefähr so groß wie der früher sehr berühmte Rudolf Kreitlein?
Der Kreitlein von Fürth? Den kennen Sie? Der hatte seine Familie in Fürth in der Flurstraße. Der hat sei‘ Zeug g’macht, der war ein guter Mann.
Welchen Schiedsrichter haben Sie als Vorbild gesehen?
Den Pierluigi Collina, der hat so eine Glatze wie ich. Das ist auch von meiner Frau der Lieblingsschiedsrichter. Der hat Spielern wieder auf die Beine geholfen und sie auch mal getröstet. Aber er war eben auch sehr energisch, und alle haben es akzeptiert. Bei dem ist keiner ausgeflippt. Und von den Deutschen mag ich unseren Deniz Aytekin aus Oberasbach. Der hat nie Wirbel gemacht, sondern immer alles sachlich geregelt. Der ist nicht nur einmal zu Deutschlands bestem Schiedsrichter gewählt worden.
Welchen Schiedsrichter mögen Sie eher nicht?
Wissen’s, über Schiedsrichter will ich gar nichts Negatives sagen, ich bin ja selbst einer. Auch wenn ich nur als Zuschauer am Sportplatz bin, halt ich mich raus. Wenn mich einer fragt, ob der Schiedsrichter richtig entschieden hat, sag ich immer: "Ich sag gar nix." Der Schiedsrichter entscheidet, und ich bin Zuschauer. Wenn man die anderen kritisiert, dann macht das unter den Schiedsrichtern schnell die Runde. Anständig sein und sachlich, dann kommt man nicht ins Gerede.
Fragen wir andersherum: Was darf ein Schiedsrichter nicht machen?
Vor allem darf er sich nicht zu sehr in den Mittelpunkt stellen. Er muss unauffällig sein und das pfeifen, was er sieht. Was ich nicht gesehen habe, kann ich nicht ahnden.
Sehen Sie immer noch alles, denn läuferisch können Sie vermutlich nicht ständig perfekt auf Ballhöhe sein?
Vielleicht bin ich weniger auf Ballhöhe als vor 30 Jahren, das ist logisch und altersbedingt. Ich hab mal einen in meinem jetzigen Alter erlebt, der ist fünf Meter vor und fünf Meter hinter der Mittellinie gestanden. Ich bin gut beieinander und schaue, dass ich immer dort bin, wo es nötig ist. Wenn ich mal nicht mehr laufen kann, dann höre ich auf. Ich mache es für meine Gesundheit, aber bestimmt nicht fürs Geld.
Wie viele Spiele haben Sie ungefähr geleitet?
Allmächt, 1200 auf jeden Fall. Früher hatte ich vier bis sechs Spiele im Monat, heute vielleicht ein oder zwei. Aber die Obleute wissen: Den Eger können wir anrufen, weil er noch Spaß dran hat.
Gehen Sie noch zu den regelmäßigen Versammlungen?
Gut, dass Sie fragen. Ich bin geehrt worden, dass ich die zweitmeisten Besuche bei den Lehrabenden gemacht habe.
Immer noch sogar zu Lehrabenden?
Ja, einmal im Monat.
Die Regeln im Fußball haben sich ja im Laufe Ihrer Karriere zum Teil sehr geändert.
Jeden Monat bekomme ich eine Zeitschrift vom DFB, die lese ich immer durch, und jedes Mal ist was Neues für mich dabei. Und die 15 Regelfragen mach ich jedes Mal auch. Ich weiß auch sonst, was in der Welt so los ist.
Welche Regeländerung der letzten Jahre fanden Sie gut oder schlecht?
Das Thema Handspiel ist wirklich sehr umstritten und schwierig geworden, mehr als kritisch. Gut fand ich die Sache mit dem passiven Abseits. Wenn ein Spieler nicht eingreift, dann kann er doch so weit im Abseits stehen, wie er will! Früher musste man da pfeifen.
Ist es nicht komisch, dass die Multimillionäre in kurzen Hosen oder auf den Trainerbänken oft so wenig von den Regeln verstehen?
Mehr als komisch finde ich das, denn manche spielen sich dann noch auf, dabei müssten sie’s doch wissen. Die kennen sich nicht aus und schimpfen auf den Schiedsrichter. Und vereinsblind sind halt auch immer wieder welche. Das habe ich ja auch oft erlebt.
Haben sich auf dem Fußballplatz die Zeiten geändert im Lauf der Jahre?
Auf jeden Fall. Was früher vielleicht noch toleriert wurde, wird heute nicht mehr toleriert. Das habe ich auch bei Gericht als Schöffe erlebt. Als ich denen bei der Bewerbung damals gesagt habe, dass ich Schiedsrichter bin, waren sie sehr dankbar.
Was ist die schönste Episode Ihrer Laufbahn?
Da habe ich in Nürnberg-Steinplatte gepfiffen, zwei Ausländer-Mannschaften. Es ging ziemlich rund, und draußen stand eine Frau mit einem Hund, der andauernd an der Leine zog und aufs Spielfeld wollte, weil sein Herrchen mitspielte. Als der gefoult wurde, hat sich der Hund losgerissen und stürmte auf mich los. Ich habe die Rote Karte gezogen und habe sie dem Hund gezeigt. Der hat wirklich die Bremse reingehauen, sich umgedreht und ist wieder zurück. Die Zuschauer haben getobt, und ich hatte bis zum Spielende einen Bonus bei allen. Der ganze Stress war raus, die haben jeden Pfiff von mir akzeptiert.
Was war Ihr schlimmstes Erlebnis?
In Postbauer mal gegen den SK Lauf. Da war so eine Hektik, dass meine Linienrichter nach dem Spiel gar nicht erst geduscht haben, sondern sofort wegfuhren. Ich bin zum Duschen gegangen, und ein paar Zuschauer klopften mit ihren Spazierstöcken an die Tür und drohten mir. Als ich mein Bier noch in der Wirtschaft trinken wollte, kam einer vom Verein und sagte: "Besser, Sie gehen nicht hinein." Das war echt grenzwertig, die haben sich 90 Minuten lang wirklich die Knochen poliert. An dem Tag war es ein Fehler, ab und zu mal auf Vorteil und Weiterspielen zu entscheiden. Kleinlich sein ist manchmal einfach besser.
Helfen Ihnen als fast 80-Jährigem die Spieler auch mal über strittige Szenen hinweg?
Leider nicht, manche sagen eher: "Der alte Depp soll aufhören." Aber Respekt für einen Alten, der keinen Bauch hat und sich noch bewegen kann? Eher nein.
Und trotzdem: Wollen Sie die 50 aktiven Jahre noch vollbekommen?
Auf jeden Fall.
Dann kommt der Abpfiff?
Ja, ich denke schon. Ich bin keine 20 mehr, aber es tut mir immer noch gut, mich zu bewegen. Ich wiege mich jeden Tag – 67,2 Kilo. Ich fühle mich pudelwohl.
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